Silberband 011 - Der Fall Kolumbus
Raumjagdverband 16,
beschieden, die Energieerscheinung zuerst zu orten.
Seine Gruppe setzte sich aus dem Leichten Kreuzer AUSTRIA und 27 linsenförmigen
Kleinraumschiffen vom ultraschnellen Typ Space-Jet zusammen. Die AUSTRIA galt gleichzeitig als
Führungsschiff der 4. SGJV-16.
Zu dieser Zeit stand die Sicherungsgruppe mit allen Einheiten 102 Lichtstunden jenseits der
Plutobahn im interstellaren Raum. Der Abstand zwischen den einzelnen Booten betrug weisungsgemäß
nur fünf Millionen Kilometer. Die AUSTRIA stand dabei in der Mitte der langen
Überwachungslinie.
Im Ortungsraum dicht neben der Funkzentrale schien ein Vulkan ausgebrochen zu sein, so laut
rumorte es in den beiden Strukturtastern zur Sofortanmessung einer vierdimensionalen
Kontinuumsverschiebung. Es war jedoch klar, daß es sich nicht um die Erfassung einer
Hyperschockwelle handeln konnte. Die von transitierenden Raumschiffen erzeugten Energiestöße
machten sich anders bemerkbar.
Untcher lauschte etwas fassungslos auf das unablässige Dröhnen. Die automatische Auswertung
hatte bereits die Quelle dieser Geräusche festgestellt. Nahe der Riesensonne Kapella, etwa 42
Lichtjahre entfernt, hatte sich etwas gebildet, womit weder Untcher noch die Ortungsfunker etwas
anzufangen wußten, bis Oberleutnant Fynkus auf die Idee kam.
»Das klingt, als wären wir dicht vor der Entladungszone nahe des Myrtha-Systems«, sagte er
bedächtig. Er drehte den Kopf.
Untchers faltige Lider zuckten. »Ach! Was Sie nicht sagen! Die Zone ist fast
sechseinhalbtausend Lichtjahre entfernt.«
»Das ändert nichts daran, daß ich dieses Rumoren kenne. Ich war lange genug da draußen. Im
Fuhrmannsektor stimmt etwas nicht. Sehen Sie sich die flachen Zacken an. Das ist ganz typisch für
eine Überlappungszone. Das Ding scheint sogar stabil zu bleiben. Erinnern Sie sich an die
Ortungsergebnisse während der vergangenen Druufangriffe?«
Untcher war gewissenhaft genug, um die Meinung des erfahrenen Offiziers zu würdigen. Das
Donnern in den Strukturtastern hielt an. Fynkus ging zum Materiepeiler hinüber. Der dort
stationierte Sergeant schüttelte stumm den Kopf. Fynkus nickte.
»Fremdkörper sind noch nicht aufgetaucht«, stellte er sachlich fest. »Die Energieerscheinung
verändert sich aber nicht.«
Untcher dachte angestrengt nach. Nach den ihm bekannten Aussagen der Wissenschaftler sollte
sich die Überlappungszone nahe des Myrtha-Systems bald schließen. Es gab jedoch auch Experten,
die in diesem Zusammenhang vor letzten spontanen Überlappungen in verschiedenen Sektoren der
Milchstraße warnten.
Untcher starrte auf die Geräte.
Hatten sie einen solchen spontanen Einbruch zwischen zwei Universen entdeckt?
Untcher entschied sich.
»Funkspruch an alle Jets«, ordnete er an. »Wachlinie auflösen, einzeln den Rückflug antreten
und bei Verbandsführer nahe Pluto sammeln. Meldung an Oberst Poskanow an Bord der OSEGA über
unsere Beobachtung.«
Die OSEGA, das Basisschiff des Verbandes, mußte das Phänomen überprüfen.
Untcher biß sich auf die Lippen. Er hatte plötzlich Angst.
Oberst Poskanow richtete sich auf. Vor einigen Augenblicken hatte es noch so
ausgesehen, als wolle er sein Gesicht in den großen Reliefschirm hineinbohren. Mit einer
flüchtigen Handbewegung wischte er sich die Schweißperlen von der Stirn. Dann lauschte er wieder
auf die Strukturtaste des Schlachtkreuzers OSEGA.
Was Major Untcher nicht sehen konnte, wurde durch die voluminösen Spezialgeräte des
Riesenschiffs klar erkennbar.
Die typische Strukturfrequenz eines ebenso typischen Entladungstrichters zeichnete klare
Umrisse auf den Ortungsschirm. Es sah aus, als hätte ein unsichtbarer Riese mitten im
interstellaren Raum eine längliche Blüte mit breitem, weitgeschwungenem Kelch verloren.
Wie die Konturen aber auch sein mochten, es war sicher, daß es sich um einen plötzlich
entstandenen Überlappungsriß handelte, durch den ein heftiger Energieaustausch zwischen den
Feldlinien des Einsteinuniversums und denen der Druufebene erfolgte.
Poskanow beobachtete atemlos, wie sich die obere Aufwölbung mehr und mehr verdichtete. Er
hatte mehrere Monate Gelegenheit gehabt, die große Entladungszone nahe des Myrtha-Systems
kennenzulernen.
Das wissenschaftliche Team der OSEGA arbeitete bereits. Die ersten Auswertungen wurden dem
Verbandschef vorgelegt. Als Poskanow erkannte, daß man es vorerst lediglich mit dem Trichter,
nicht aber mit fremden Raumschiffen zu tun
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