Silberband 021 - Strasse nach Andromeda
Landesteges.
Redhorse hatte die Hände wie einen Trichter vor den Mund gelegt.
»Achtung!« schrie er.
Sie sahen, wie achthundert Arme zupackten. Die Zugseile des ersten Raupenfahrzeuges strafften
sich. Sie waren steif vor Kälte. Rhodan beobachtete, daß Redhorse zögerte. Vierhundert Männer
warteten auf das Kommando.
»Zieht an!« rief Redhorse mit weithin hallender Stimme.
Achthundert Füße stemmten sich in den felsigen Boden. Schwerfällig wälzte sich der Shift
herum. Schräg nach vorn gebeugt hingen die Männer in den Seilen.
Als der zweite Shift mit einem Ruck losfuhr, war es achtundvierzig Grad kalt geworden.
Die Kälte war wie etwas Lebendiges, das man hassen konnte. Sie schnitt durch den
Schal, den Don Redhorse um seinen Kopf geschlungen hatte, sie drang durch die doppelt gefütterte
Überjacke und kroch von den Füßen aus langsam aber stetig die Beine hinauf. Sie lastete wie eine
undurchdringliche Glocke über der Ebene. Redhorses Augenbrauen waren mit Eis verkrustet. Sein
Atem gefror im gleichen Augenblick, da er den Mund verließ. Redhorse ging neben zwei vermummten
Gestalten vor dem ersten Shift. Sie suchten einen Weg, den der Flugpanzer befahren konnte.
Sechshundert Meter hinter ihnen lag die verlassene Kugel der C-11. Redhorse hatte das Gefühl,
seit Ewigkeiten durch die Kälte zu marschieren.
Die nächsten hundert Meter schienen ohne Hindernis zu sein. Redhorse blieb stehen und wartete,
bis die erste Seilgruppe auf gleicher Höhe mit ihm war. Wortlos packte er ein freies Stück des
Seils. Seine Hände waren kalt, trotz der dicken Handschuhe, die er trug. Es kostete ihn
Überwindung, fest zuzugreifen. Mit geschlossenen Augen begann er zu ziehen. Durch die Sohlen der
Stiefel fühlte er jede Unebenheit des Bodens. Die Raupen des Shifts rollten knirschend über
Geröll und Felsplatten hinweg.
Schon kleine Erhöhungen ließen den gespenstischen Zug langsamer werden. Der Shift war von
einer Eisschicht überzogen. Der leichteste Mann saß im Innern und steuerte. Redhorse beneidete
ihn nicht. Er hatte keine Bewegung, und innerhalb des Fahrzeuges war es höchstens zehn Grad
weniger kalt.
Auf der anderen Seite des Shifts begann jemand zu husten. Redhorse sah voraus, daß sich viele
Männer Erfrierungen holen würden. Auch Lungenentzündungen würden nicht ausbleiben.
Er spürte das gewaltige Gewicht des Shifts so deutlich, als sei er der einzige Mann am Seil.
Verbissen stemmte er die Füße gegen den Boden. Es war seine Idee gewesen, eine wahnsinnige,
grausame Idee, eine zusätzliche Folter für die der Kälte ausgesetzten Männer.
Redhorse blickte auf. Die beiden Männer an der Spitze winkten den Zuggruppen zu, ihre Richtung
leicht nach links zu verändern. Ihren Gesten entnahm Redhorse, daß ein breiter Bodenspalt vor
ihnen lag. Redhorses kalte Muskeln spannten sich, das Seil drohte von seiner Schulter zu gleiten.
Rumpelnd kam der Shift herum.
Sie überquerten den Spalt an einer Stelle, wo er nur noch zwanzig Zentimeter breit war und
kein Hindernis darstellte. Weiter links mündete der Bodeneinschnitt in eine unterirdische Höhle.
Redhorse erkannte die Spuren von Eskie-Kanonen. Er war davon überzeugt, daß die Eskies sie
beobachteten. Hoffentlich kamen sie nicht auf den Gedanken anzugreifen. Eine einzige Kanone hätte
genügt, um die Besatzung der CREST II zu vernichten.
Redhorse wußte nicht, wie lange ein Mensch solchen Temperaturen standhalten konnte, wenn er
ununterbrochen im Freien war.
Er stellte fest, daß seine Füße sich dem Rhythmus der anderen Männer angepaßt hatten. Er
bewegte sich fast wie ein Roboter. Seine Wangen brannten. Er neigte den Kopf, um der schneidenden
Luft zu entgehen. Meter um Meter wurden von den vierhundert verbissen arbeitenden Männern
überwunden. Redhorse fühlte sich als Glied einer wunderbar funktionierenden Maschine. Er hatte
das Bedürfnis, jedem der Raumfahrer die Hände zu schütteln. Er spürte, daß die Anstrengung eine
Verbundenheit zwischen den Männern schuf, wie es sie nur selten gab.
Redhorse begann jeden Schritt zu zählen. Der kurzen Euphorie folgte bald wieder die
Ernüchterung. Er versuchte auszurechnen, wieviel Meter sie in einer Minute zurücklegten. Nach
dreißig Schritten war eine Minute verstrichen. Wahrscheinlich entsprachen dreißig Schritte
zwanzig Metern.
In einer Minute zwanzig Meter.
In einer Stunde also etwas mehr als ein Kilometer.
Und das bei inzwischen mehr als fünfzig Grad
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