Silberband 028 - Lemuria
Für ihn war wichtig zu hören, was die Leute zu
sagen hatten. Sie unterhielten sich laut und im Zustand nicht geringer Erregung. Rakal brauchte
sich nicht allzu dicht heranzuwagen, um deutlich zu verstehen, worüber sie diskutierten.
Die Ankündigung des Tamrats war eine leere Versprechung gewesen. Frasbur hatte nichts Neues
vorgebracht. Er hatte über Dinge gesprochen, die jedermann schon seit langem wußte, und die
Tatsache, daß er mit Nachdruck gesprochen hatte, änderte nichts daran, daß die Offiziere sich
enttäuscht und um eine wertvolle Stunde betrogen fühlten.
Während sie zum Portal gingen, äußerten sie Vermutungen, warum Frasbur die Besprechung
überhaupt anberaumt hatte. Einige waren der Ansicht, daß er ursprünglich etwas anderes hatte
sagen wollen, dann aber durch einen Grund, von dem niemand etwas wußte, davon abgehalten worden
war. Andere dachten weniger kompliziert und waren überzeugt, daß Frasbur sich gerne sprechen höre
und allein aus diesem Grund eine Versammlung angeordnet hatte.
Der einzige, der den wahren Hintergrund kannte, stand still und unsichtbar abseits. Frasbur
hatte einen terranischen Agenten fangen wollen – und das war ihm gelungen.
Rakal fühlte sich in der Eingangshalle nicht mehr sonderlich sicher. Mit der letzten Gruppe
von Offizieren passierte er das Portal. Draußen, am Rand des Landefeldes, schaltete er den
Antigrav ein. In geringer Höhe glitt er über den glatten Boden dahin, bis er sich etwa einen
halben Kilometer von den Gebäuden am Rand des Feldes entfernt hatte.
Dort ließ er sich nieder und wartete.
Tronar rannte um sein Leben. Rings um ihn streckte sich eine unübersehbar weite
Ebene aus grauweißem Sand, die eine mörderisch grelle Sonne mit unmenschlicher Hitze übergoß.
Tronar war nackt. Der heiße Sand brannte ihm gegen die Fußsohlen. Hinter sich hörte er das
Hecheln und Keuchen der abscheulichen Wesen, die ihn verfolgten.
Ein einziges Mal drehte er sich um und sah sie – alptraumhafte Gestalten, so groß wie ein
Haus, jede mit einem Wirrwarr von Tentakeln ausgestattet, auf denen sie sich geschickt und mit
unheimlicher Schnelligkeit über den glitzernden Sand bewegten. Sie waren nicht intelligent, sonst
hätten sie ihn nicht auf diese Weise gejagt. Aber sie besaßen weitaus mehr Ausdauer und
Schnelligkeit als Tronar.
Er hatte keine Waffen. Er hatte nichts, womit er sich wehren oder in Sicherheit bringen
konnte. Er spürte, wie feine Sandkörner, die seine Schritte aufwirbelten, ihm in Mund und Nase
drangen und sich im Rachen festsetzten und brannten, als hätte er Feuer geschluckt. Die
gepeinigte Lunge zuckte unter stechendem Schmerz. Er fühlte seine Muskeln nicht mehr. In rasendem
Trommelwirbel setzten unterbewußte Sektoren seines Gehirns ein Bein vor das andere, ohne daß er
etwas dazu tat. Er rannte wie eine Maschine, und nichts drang in sein Bewußtsein außer der
tödlichen Angst vor den Bestien, die hinter ihm her waren und jede Minute ein paar Meter
aufholten.
Vor ihm dehnte sich die graue Wüste bis ins Endlose. Für Bruchteile von Sekunden zuckte der
Gedanke in ihm auf, daß es keinen Zweck hatte, weiterzurennen. Es gab keinen Ort, an dem er sich
verstecken konnte. Der Sand war flach und eben von hier bis in alle Ewigkeit.
Aber die Todesfurcht duldete keinen vernünftigen Gedanken neben sich. Tronar rannte
weiter – wie eine Maschine.
Die Bestien kamen so nah, daß er ihren heißen Atem im Rücken zu spüren glaubte. Er rannte
immer noch, mit gleichmäßig trommelnden Schritten, vorwärtsgetrieben von einem Reservevorrat an
Energie, den die Todesangst aktiviert hatte.
Er stürzte.
Im Nu waren die Bestien über ihm. Er sah ihre teuflischen Schädel, aus denen große rote Augen
ihn hungrig anglotzten. Er roch den Gestank ihrer schuppigen Körper. Er reckte ihnen Arme und
Beine entgegen, als sie nach ihm schnappten. Er schrie und wälzte sich zur Seite, um ihren Fängen
auszuweichen.
Und plötzlich sah er ihn.
Durch das zuckende Gewimmel der widerlichen Tierkörper hindurch sah er ihn über die Wüste
laufen, nicht allzu weit weg und in mäßigem Tempo, als wüßte er genau, daß er in Sicherheit
war.
Natürlich war er in Sicherheit! Er wurde nicht verfolgt. Die häßlichen Tiere waren mit ihm,
Tronar, beschäftigt. Rakal dagegen konnte sich Zeit lassen. Er konnte Kräfte sparen, während er
einen Vorsprung herausholte, den die widerlichen Kreaturen nicht mehr wettmachen
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