Silberband 028 - Lemuria
seiner selbst bewußt zu
werden und Schmerzen zu empfinden. Er bewegte sich die komplizierten Windungen der statischen
Feldlinien entlang. Für das Feld bedeutete er einen niederenergetischen Fremdkörper, in den die
Feldenergie abfloß. Der Energiezufluß erzeugte Schmerz.
Die tobende Feldenergie drohte ihn aufzulösen. Er hatte die merkwürdige Empfindung, daß sein
entmaterialisiertes Ich sich auseinanderzog und dehnte, bis die einzelnen Teile den Zusammenhang
verloren und sich voneinander trennten.
Da wurde ihm klar, daß er sich zuviel vorgenommen hatte. Regnal-Ortons Schirmfeld war
undurchdringbar. Jeder Versuch, weiter vorzudringen, war lebensgefährlich. Er wollte das
teuflische Feld verlassen, solange er noch die Kraft dazu hatte.
Aber das Feld hielt ihn fest. Er war gefangen. Die Feldhülle hatte sich in eine Falle
verwandelt, die ihn nicht mehr freiließ. Er wand sich in Schmerz und Verzweiflung. Die Todesangst
verlieh ihm unmenschliche Kraft. Plötzlich glaubte er, helles, rotes Leuchten wahrzunehmen,
obwohl er keine Augen besaß, mit denen er es hätte sehen können. Er spürte, wie das Schirmfeld zu
einem letzten, vernichtenden Schlag gegen die Fremdenergie ansetzte, die sich in seinem Innern
gefangen hatte. Er wußte, daß dieser Schlag ihn vernichten würde.
Dann wurde es plötzlich hell – so unerträglich hell, daß er fast den Verstand verlor. Er
hörte ein scharfes, fauchendes Geräusch, und eine Welle sengender Hitze schlug ihm entgegen. Er
verlor das Gleichgewicht, und an dem unverkennbaren Schmerz des Aufpralls bemerkte er, daß er
inzwischen rematerialisiert hatte.
Benommen öffnete er die Augen. Brandgeruch lag in der Luft. Vor ihm stand Tronar, breitbeinig
und vornübergebeugt, den Kombistrahler in der Hand und die Augen auf etwas gerichtet, das nicht
in Rakals Blickfeld lag. Schwerfällig drehte Rakal sich um. Unbewußt griff er dabei nach dem
Generator auf seinem Rücken und schaltete ihn aus.
Hinter ihm, neben dem Schreibtisch, lag Regnal-Orton. Er war bewußtlos. Am linken Bein, dicht
über dem Knöchel, trug er eine häßliche Brandwunde.
»Ich wußte nicht, wohin ich schießen sollte!« sprudelte Tronar hervor. »Du warst irgendwo in
seinem Feldschirm, und ich konnte dich treffen. Aber ich mußte schießen, hörst du –
ich mußte! Der Schirm fing auf einmal an zu leuchten. Er brach zusammen, weil du ihm zuviel
Energie abzapftest. Das war unsere einzige Chance!«
Rakal nickte in dumpfer Verwunderung. Er hatte also doch Erfolg gehabt. Tronars Energiestrahl
hatte den geschwächten Schirm durchdrungen und Regnal-Orton verwundet. Der zusammenbrechende
Schirm hatte ihn, Rakal, wieder freigegeben und ihn rematerialisieren lassen.
Schwerfällig stand er auf und ging zu dem Meister hinüber. Er tippte ihm gegen die Schulter,
halb in der Erwartung, den Widerstand des regenerierten Feldschirms zu finden. Aber da war kein
Widerstand. Der Finger berührte den silbernen, metallischen Stoff der Uniform.
Regnal-Ortons Schirmfeldhülle war verschwunden. Der Meister war schutzlos.
Rakal richtete sich auf und warf einen Blick auf den Bildschirm. Vario war nach
rechts hin ausgewandert und nur noch zur Hälfte zu sehen. Auf dem schwarzen Hintergrund des
Weltraums glänzten die Punkte zahlloser Sterne.
Sterne der Gegenwart, dachte Rakal. Wir haben es geschafft. Wir sind über 52.000 Jahre weit
von Frasbur und der CREST entfernt.
Da zuckte ein greller Blitz über die große Bildfläche. Mitten im Gewimmel der Sterne entstand
eine neue Sonne, ein weißblauer Glutball, der sich in Sekundenschnelle aufblähte und ins Nichts
hinein zerfloß. Rakal hatte sich von seinem Schrecken noch nicht erholt, da blitzte es zum
zweitenmal. Der Vorgang wiederholte sich.
Rakal hatte solche Bilder zu oft gesehen, um sich lange darüber im unklaren zu sein, was dort
draußen vorging. Die Blitze waren Explosionen hochwirksamer Kerngeschosse – die Glutbälle
die erhitzten, vergasenden Metallmassen von Raumschiffen. Über Vario tobte eine Raumschlacht!
Heißer Schreck durchfuhr ihn, als ihm klarwurde, was das zu bedeuten hatte. Die grellen
Blitze, das sonnenhafte Aufleuchten der getroffenen Fahrzeuge, das alles trug so eindeutig den
Stempel terranischer Transformgeschütze, daß es keinen Zweifel mehr darüber geben konnte, wer
dort draußen gegen wen kämpfte.
Reginald Bull griff Vario an! Rakal wußte mit visionärer Deutlichkeit, wie sich alles
zugetragen
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