Silberband 051 - Vasall der Mächtigen
Glaskasten in Deckung, und aus einem vorbeifahrenden Gleiter schob ein Mann eine Waffe heraus, zielte sorgfältig und schoß in das Glas. Es zerbarst mit einem Klirren, das sie bis hierher hörten.
»Das ist Mord!« empörte sich Tuscalosa.
Cascal nickte schweigend. Der Mann sprang auf, verließ die Deckung, und im selben Moment feuerte ein unsichtbarer Schütze. Er traf ihn genau in die Brust, und nach rückwärts stolpernd brach der Mann zusammen.
Sie gingen schnell auf das Haus zu, bewegten sich auf einem leeren Fußgängersteg zwischen den Stämmen von Bäumen, während unter ihnen auf breiten Fahrbahnen Gleiter vorbeijagten. Das Haus, das sie suchten, lag inmitten einer integrierten Anlage.
In den untersten Stockwerken waren die Versorgungsanlagen untergebracht, darüber erhob sich eine raffiniert konstruierte Ladenanlage, und darüber, in mindestens dreißig Stockwerken Höhe, gab es Wohnungen. Überall war es merkwürdig leer, als wäre es Mittag, und jeder hätte sich vor der großen Hitze geflüchtet.
Aber es war nicht Mittag – die Sonne stand in den ersten Morgenstunden.
Es war auch nicht heiß – zwischen den Büschen glänzte noch der Tau auf den Gräsern, und die Brunnenanlagen verbreiteten Kühle.
Heulend raste ein Luftgleiter dicht über Cascal und Tuscalosa dahin. Ein bewaffneter Mann, dessen Gesicht hinter einer großen Brille verborgen war, spähte vorsichtig schräg über den Rand hinweg und beobachtete die beiden. Er sah, daß sie die Kleidung von Moritatoren trugen, und schob die Waffe wieder zurück.
»Sie suchen nicht uns«, meinte der Riese neben Cascal.
»Nein. Noch nicht!« sagte Manuel.
Sie gingen so schnell wie möglich, ohne aufzufallen. Sie bewegten sich auf das Haus zu, über eine modern geschwungene Brücke und einen Teil der parkähnlichen Fläche. Dann lasen sie die Aufschriften über den verschiedenen Geschäften, erhaschten einen Blick auf die vollen und glitzernden Auslagen und entdeckten schließlich das Geschäft, durch das sich Escroplan getarnt hatte.
»Hinein«, sagte Tuscalosa.
Er langte blitzschnell zwischen die Säume seines jackenartigen Hemdes und entsicherte seine Waffe.
Cascal blieb einige Sekunden vor dem Geschäft stehen und zitierte laut:
»Escroplans Exotische Erwerbungen.«
»Ein gängiger Titel«, meinte sein Begleiter, näherte sich der Tür und ging weiter, als sich die beiden wuchtigen Glasscheiben vor ihm nach beiden Seiten zurückzogen. Sie traten in die halbe Dämmerung eines bewußt altertümlich und bizarr aufgemachten Ladens hinein, in dem drei oder vier sehr gutaussehende junge Frauen bedienten.
Ein paar Kunden unterhielten sich damit, daß sie in exotischen Pelzen wühlten oder spielzeugartige Artikel betrachteten und wieder zurückstellten. Hierher war die Atmosphäre des Todes noch nicht gekommen, stellte Cascal mit seinem wachsamen Blick fest. Er und Tuscalosa blieben vor einem der Tische stehen.
Eine der Frauen kam lächelnd auf Cascal zu und fragte höflich:
»Was darf ich Ihnen zeigen, mein Herr? Ah – Sie sind Moritator? Was bringen Sie uns?«
Cascal legte ihr den ausgestreckten Zeigefinger unters Kinn, lächelte wie in alten Zeiten und sagte sehr leise:
»Sie dürfen mir Escroplan zeigen, Schönste. Ich bringe Ihnen, fürchte ich, schlechte Nachrichten.«
Sie deutete auf einen kleinen, dürren Mann, der mit ausgesuchter Höflichkeit und etwas unterwürfiger Art mit einem Kunden sprach.
»Das ist Escroplan«, sagte sie.
Tuscalosa blieb hinter Cascal, so daß er sich zwischen Escroplan, Cascal und der Tür befand. Soweit er es sah, war dies die einzige Möglichkeit, das Geschäft zu verlassen oder zu betreten. Cascal studierte blitzschnell das Aussehen des Mannes. Klein und flink, von der Art eines Wiesels, ein fast kahler Kopf und ein sorgfältig gestutzter, blaugefärbter Bart. Schnelle Augen, die Cascal schon längst gesehen und eingeschätzt hatten, ohne daß der Mann eine Sekunde lang die Aufmerksamkeit geteilt hätte zwischen dem Ankommenden und dem Kunden.
»Einen Moment, bitte«, sagte Escroplan, holte ein Gerät, das wie eine Zuckermühle aussah, aus einem matt ausgeleuchteten Verkaufsregal und stellte es vor den Kunden.
»Das ist echte Handarbeit, daher der etwas ungewöhnliche Preis. Aber Sie werden sehen, daß Sie sehr viel Freude daran haben.«
Cascal schaltete sich ein und sagte mit aller Höflichkeit, deren er fähig war:
»Nur weiß niemand genau, wie lange noch – Entschuldigung, Escroplan,
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