Silberband 060 - Die Cynos
deiner Kabine bist, nimmst du die Plastikmaske ab und blickst in einen Spiegel. Die gesamte Fläche deines Gesichtes, bis auf Augen, Nase und Mund, wird von einem Cappin-Fragment bedeckt.
Wenn andere Menschen diese schillernde Masse ansehen, werden sie wahnsinnig und sterben. Deshalb mußt du ständig eine Plastikmaske tragen. Du könntest dich sonst nicht frei bewegen.
Wie lange ist es schon her, daß du dein richtiges Gesicht gesehen hast? War es damals, während des Kampfes gegen Ribald Corello – oder noch früher? Wie sieht dein Gesicht aus?
Vielleicht existiert es nicht mehr, vielleicht ist es nur noch eine verwüstete rosafarbene Fläche.
Manchmal erwachst du während der Ruhezeit aus schrecklichen Alpträumen, in denen dir wie eine Vision dein Gesicht erscheint: eine vernarbte, bis zur Unkenntlichkeit zerfressene Fratze.
Schweißbedeckt sitzt du in deinem Bett und blickst in die Dunkelheit, bis die Vision sich auflöst. Es kann nicht sein, denkst du. So kannst du nicht aussehen. Unter dem Cappin-Fragment muß dein richtiges Gesicht erhalten geblieben sein.
Was hast du schon alles angestellt, um das Cappin-Fragment loszuwerden!
Die Zahl der Wissenschaftler, die dich untersucht haben, ist Legion. Niemand konnte dir helfen, denn niemand durfte wagen, das Cappin-Fragment während der Untersuchung anzusehen.
Es kommt immer noch vor, daß deine Gedanken in die Vergangenheit zurückeilen. Du erinnerst dich, wie es passiert ist. Es war ein Unfall, ein Ereignis, das sich nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht hätte ereignen dürfen. Du befandest dich zusammen mit einem Cappin in der Desintegratorzone eines Transmitters. Die atomare Zellstruktur deines Körpers verwob sich mit einem Teil jenes Wesens.
Als du aus dem Transmitter tratest, mußten mehrere Menschen sterben, bevor du und die anderen begriffen, was überhaupt geschehen war.
Es gibt Menschen, die sich wundern, wie gelassen du dein Schicksal erträgst. Natürlich bist du ruhig. Du regst dich selten auf. Stets behältst du die Übersicht.
Die anderen sagen, daß du absolut zuverlässig bist. Perry Rhodan überträgt dir wichtige Aufgaben, bestimmt nicht nur, um deinen Seelenfrieden zu sichern.
Dabei bist du verzweifelt!
Du willst diese Maske loswerden, dieses kalte Stück Plastik, das mit zwei Schlingen über den Ohren befestigt wird und sich fest gegen das Cappin-Fragment preßt.
Die Hoffnung, daß du dich eines Tages von diesem Gesicht befreien kannst, hast du doch noch nicht aufgegeben. Immer wieder träumst du davon.
Ein Gefühl sagt dir, daß du deine Chance bekommen wirst. Du wirst sie nicht ungenutzt lassen. Sogar Opfer würdest du bringen.
In den Tiefen deines Unterbewußtseins schlummern schreckliche Gedanken. Du befürchtest, daß du zum Verbrecher werden könntest, nur um dein Cappin-Fragment loszuwerden. Skrupellos würdest du es einem anderen Menschen übertragen.
Jedenfalls glaubst du in deiner Verzweiflung, daß du es tun könntest.
Vielleicht wirst du das Fragment bis zu deinem Tod tragen. Dann wird es dich freiwillig verlassen, denn es braucht einen lebenden Träger.
Oft genug hast du mit dem Gedanken gespielt, Selbstmord zu begehen. Du weißt noch ganz, genau, wie du breitbeinig in deiner Kabine standest und die Mündung des Desintegrators gegen deine Schläfe preßtest. Doch du hast nicht abgedrückt. Dein Wille zum Leben war größer.
Ob die anderen merken, was sich in deinem Innern abspielt?
Einige merken es sicher, die Mutanten und so erfahrene Männer wie Rhodan und Allan. Die anderen werden es zumindest ahnen. Sie geben sich alle Mühe, dich wie ihresgleichen zu behandeln.
Aber solange du das Cappin-Fragment im Gesicht hast, bleibst du der Mann mit der Maske …
Bort Desancon hob den Kopf und blickte in den langen Korridor, an dessen Ende sich der Eingang zu einem Antigravschacht befand. Seit zwei Stunden hatte Desancon zusammen mit Ättler Deckwache. Niemand an Bord befürchtete, daß etwas passieren könnte, doch Perry Rhodan war seit dem Überfall der Lacoons vorsichtig geworden.
Desancon versetzte seinem Kameraden einen Rippenstoß. Ättler zuckte zusammen und brummte etwas.
»Du solltest während der Deckwache nicht schlafen«, sagte Desancon ärgerlich.
Ättler erhob sich von der Kiste, auf der er die ganze Zeit über gesessen hatte, und strich sich über seinen ansehnlichen Bauch.
»Du hast gesagt, daß du allein aufpassen wolltest«, erinnerte er den anderen ungehalten. »Was ist
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