Silberband 061 - Terra im Brennpunkt
Y'Xamterre war zweifellos bemerkenswert, wenn auch keinesfalls schön; doch was nützte das Äußere eines Dinges, das keinerlei Innenleben mehr aufwies.
Als ein Lautsprecher erscholl, zuckte ich unwillkürlich zusammen. »Achtung, Achtung! Bitte nicht vom Fleck bewegen«, erscholl Professor Ensoms Stimme. »Ich taste Corky zwei Minuten lang mit Hyper-D-Beugefeldern ab.«
Interessiert erhob ich mich und musterte den auf einer Antigravplattform montierten Gerätekomplex, der von dem berühmten Zeitforscher Winfried Ensom bedient wurde. Der Komplex schwebte lautlos herum; rote Lichter zuckten an seinen Kanten.
Ich trat näher. Dieses Experiment wollte ich mir nicht entgehen lassen. Als ich genau zwischen dem Aggregat und dem versteinerten Götzen stand, stieg ein dumpfes Brummen aus dem Komplex. Alles im Labor schien plötzlich elektrisch aufgeladen zu sein; überall knisterten Entladungsfunken.
Ich hörte einen gellenden Schrei – und sah fassungslos auf das Monstrum aus Metall und Glas, das einen Schritt vor mir stand und harte klingelnde Geräusche von sich gab.
Eines der vorderen Fenster öffnete sich, und ein Männerkopf mit einer Schirmmütze streckte sich heraus. Der Mann schrie mir etwas zu. Er schien wütend zu sein. Leider verstand ich kein Wort.
Ich blickte mich um. Die Umgebung sah ebenso fremdartig aus wie das metallene Monstrum mit den Glasfenstern: niedrige Bauwerke, teilweise aus Natur- und Kunststeinen gemauert, zahllose verwirrende Schriftbilder und dahinhastende Menschen. Ich stand am Rande eines Platzes, und rings um den Platz wälzte sich ein Mahlstrom aus ratternden, brummenden, dröhnenden und qualmenden Fahrzeugen.
Kein Zweifel, ich war auf einer Primitivwelt gelandet, wenn ich auch nicht wußte, was mich hierher befördert hatte. Immerhin wurde diese Primitivwelt von humanoiden Lebewesen bewohnt.
Rasch aktivierte ich das Armband-Translatorgerät, das wir Männer vom CYD-Kommando seit einiger Zeit stets bei uns führten. Diesmal verstand ich, was der Mützenträger sagte.
»Wenn du nicht sofort verschwindest, hole ich die Polizei!« brüllte er. »Geh nach Hause zu Mama und laß dir die Ohren waschen, Kleiner!«
Um uns hatten sich inzwischen etwa hundert Menschen versammelt. Aus dieser Menge kam beifälliges Gelächter. Eine tiefe Stimme sagte: »Wenn du schon einen Sitzstreik machen willst, dann setz dich wenigstens hin. Aber eigentlich bist du für einen Studenten ein bißchen alt.«
»Quatsch!« rief eine beleibte Dame dazwischen. »Der Jeck hat nur den Rosenmontag ein bißchen vorgezogen.« Sie drängte näher und zupfte an meinem Raumanzug. »Was soll das für ein Kostüm sein?« erkundigte sie sich. »Astronaut?«
Der Gag wurde mit brüllendem Gelächter belohnt.
Ich hielt den Armband-Translator unauffällig vor den Mund und fragte: »Kann mir jemand sagen, wie diese Welt heißt?«
Die Antwort war nur noch lauteres Gelächter. »Er ist mit einer fliegenden Untertasse vom Mars gekommen!« schrie jemand.
»Ich bin ein Marsianer«, erwiderte ich ernsthaft.
»Der Bursche gehört in die Anstalt!« rief der Mützenträger. »Zieht ihn mal von den Schienen, Leute. Dann ruft am besten einer die Polizei.«
Ich begriff, daß diese Menschen in einem ungewöhnlich rückständigen Denken verwurzelt waren. Besucher von anderen Welten wurden von ihnen entweder für Spaßvögel oder für Verrückte gehalten. Am besten für mich wäre es gewesen, mich aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit zu entfernen. Aber da ich wahrscheinlich von Ensoms Hyper-D-Beugefeld auf diesen Planeten befördert worden war, mußte ich im Einflußbereich des Feldes bleiben, damit man mich zurückholen konnte – falls das überhaupt möglich war.
Und da ich nicht wußte, wie groß der Einflußbereich des Beugefeldes war, sollte ich mich am besten überhaupt nicht von der Stelle rühren.
Der Bemützte, offensichtlich der Fahrer des altertümlichen Schienenfahrzeuges, setzte eine Trillerpfeife an seine Lippen. Doch da faßte mich jemand unter und zog mich von den Schienen.
»Kommen Sie, Männeken«, sagte der untersetzte, rundliche Mann. »Treiben Sie den Spaß nicht zu weit. Wenn erst mal die Schutzleute da sind, ist der Ofen aus.« Er lachte unterdrückt. »Spaß muß sein, Kleener, aber nun laß uns verduften.«
Unter einer reichen Palette von Bemerkungen und Bekundungen zogen wir uns zurück. Der Dicke führte mich zu einem vierrädrigen Fahrzeug, öffnete eine von vier Türen und hieß mich einsteigen.
Weitere Kostenlose Bücher