Silberband 065 - Die Altmutanten
paar hundert Kilometer entfernt, blickte Sandal Tolk asan Feymoaur sac Sandal-Crater von seiner Arbeit auf. Chelifer Argas kam herein und stellte ein umfangreiches Paket voller Lesespulen vor ihn auf die Glasplatte, die als Schreibtisch diente.
»Hier, Bogenschütze«, sagte sie lachend und setzte sich auf die Lehne seines Sessels, »hast du die gewünschten Unterlagen. Wenn ich daran denke, daß ich stundenlang in öffentlichen Bibliotheken herumsitzen und Bücher und planetare Ökologie suchen würde …«
Er legte einen Arm um sie und zog sie an sich. »Das alles wird sich in kurzer Zeit gelohnt haben«, sagte er. »Du wirst dann nicht mehr die Gefährtin eines Bogenschützen, sondern eines Fürsten sein.«
Sie lachte. »Ein würdiges Ende! Bist du gut vorangekommen?« Sie deutete auf die Karten, Weltraumbilder, Pläne und Blaupausen, die sich auf der Platte drängten.
»Ja, ganz gut. Aber ich bin unterbrochen worden. Rhodan braucht mich!«
Er lachte nicht, als er diese Auskunft gab. Als Zeichen seines ruhelosen und anstrengenden, aber auch interessanten Lebens standen noch immer neben seinem Tisch der riesige Bogen und der Köcher mit den terranischen Pfeilen. Seit dem Tag, da ihn Atlan mit einem einzigen Faustschlag niedergeschlagen hatte, war von dem Barbaren nicht mehr viel übriggeblieben. Nur das kühne Gesicht, das weiße Haar und die rote Koralle im rechten Ohrläppchen blieben – Sandal Tolk, einst ›Krummarm‹ genannt, war zu einem klugen und wohltuend normalen Terraner geworden. Aber noch schwelte die Sehnsucht nach Exota Alpha in seinem Herzen … und noch kannte er alle jene Dinge, die ein guter Krieger, Jäger und Fürst brauchte. Außerdem war er im Begriff, sich in allem unterrichten zu lassen, was ein kluger Herrscher brauchte.
»Rhodan braucht dich?« fragte sie und witterte eine neue Gefahr, die sie jedesmal um sein Leben und seine Gesundheit fürchten ließ.
»So ist es!« stimmte er zu und küßte sie.
»Aber«, sagte sie verwundert und sah ihm ins Gesicht, »Rhodan hat doch hier seine Spezialisten. Die Männer von der Solaren Abwehr oder mit Atlans Unterstützung auch die Leute von der United Stars Organisation.«
Sandal nickte ruhig. Innerlich hatte er von vielen Dingen bereits so viel Abstand gewonnen, daß ein endgültiger Abschied nur noch eine Formsache war. Seine wenigen, aber guten Freunde … Nun, das war ein anderes Problem, an das er jetzt nicht denken wollte.
»Das mag sein«, stimmte er zu. »Aber mir vertraut er.«
Sie stand auf, ging in die Küche und schaltete den Kaffeeautomaten ein. Aus der Küche rief sie über die Schulter zurück: »Worum es sich handelt – das hast du nicht erfahren können?«
Er schüttelte den Kopf, begann die Buchspulen zu sortieren und schob die Pläne auf der Platte zusammen, um Platz für das Geschirr zu machen.
»Nein. Ich werde wie üblich abgeholt. Imperium-Alpha. Angeblich eine sehr delikate, schwierige Sache, von der nur ein bestimmter Personenkreis etwas erfahren soll!« antwortete er laut.
Kurz darauf saßen sie sich bei Kaffee und Gebäck gegenüber. Das waren die Stunden, die Chelifer und Sandal genossen. Man ließ ihnen nicht viel Zeit zu solchen Stunden. Der Wiederaufbau in vielen Gebieten Terras nach der wilden Zeit des Schwarms brauchte entschlossene, kluge Frauen und Männer, die mehr taten, als notwendig war. Eben Menschen wie Chelifer und Sandal.
»Wann holt man dich ab?«
Der große, schlanke Mann mit der Habichtsnase blickte auf die Digitalziffern der Ringuhr und entgegnete: »In einer Stunde, Liebste. Wir haben Zeit.«
Sandal war unsicher. Er hatte von Chelifer Argas, der Frau mit den schönsten grünen Augen, die er je gesehen hatte, die Erzählungen von einem mächtigen Helden der terranischen Geschichte gehört. Die Taten und das Leben des Herakles; er fühlte sich ein wenig wie jener Löwenbezwinger am Scheideweg. Was sollte er tun? Beide Möglichkeiten waren gleich reizvoll.
»Noch immer unschlüssig, Sandal?« fragte Chelifer halblaut. Sie kannte seine Probleme besser als jeder andere Mensch auf Terra.
Er lächelte. »Ja, noch immer unsicher. Beide Wege sind gleich interessant. Aber ich fürchte, ein Mann kann seiner Bestimmung nicht entgehen.«
»Sofern er weiß, was seine Bestimmung ist! Ich pflichte dir bei, Sandal. Weißt du es?«
»Noch nicht!« bekannte er.
»Und wann wirst du es wissen?« erkundigte sie sich.
Er lachte laut auf. »Ich weiß nicht, wann ich es wissen werde«, dachte er
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