Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
aber dort traf sie nicht wie gewohnt auf den Zellaktivator, der ihm die Unsterblichkeit verliehen hatte. Plötzlich schienen sich alle Fragen von selbst zu klären. Ohne Zellaktivator war er verloren. Wenn er länger als 62 Stunden ohne den Zellaktivator auskommen mußte, setzte der Zerfall ein.
Er versuchte nachzurechnen, wie lange er jetzt schon von dem lebenserhaltenden Gerät getrennt war.
Wiederum fiel es ihm äußerst schwer, sich zu konzentrieren. Schließlich aber fand er heraus, daß die Frist längst abgelaufen war.
Bedeuteten die Beschwerden, die er jetzt hatte, daß sein Gehirn zerfiel? Stand das Ende unmittelbar bevor?
Er krallte seine Hände in die Sternenkarten und zerknüllte sie.
Eine Hoffnung, in naher Zukunft wieder zu seinem Zellaktivator zu kommen, bestand nicht. Er wußte ja noch nicht einmal, wo er sich befand. Er konnte ebenso in eine andere Zeit wie an das Ende des Universums oder auch in ein anderes Universum entführt worden sein. Selbst wenn er unbegrenzte technische Möglichkeiten gehabt hätte, wäre es ihm unmöglich gewesen, die Milchstraße wiederzufinden – gar nicht zu sprechen von der Erde.
Wieviel Zeit blieb ihm noch bis zu seinem Tod? Tage, Stunden oder Minuten?
Er ging zu einem Getränkeautomaten und trank einen Schluck Poll. Die schwarze Flüssigkeit erfrischte ihn in Sekunden. Seine Gedanken klärten sich, aber dennoch sah er keinen Ausweg.
Eigentlich hätte schon alles zu Ende sein müssen. Die 62 Stunden waren verstrichen. Warum war es noch nicht vorbei? Warum lebte er noch?
Er eilte zur Tür und stieß sie auf.
Er mußte mit Doynschto sprechen.
18.
Terra
Der Mann trat an das Fenster heran und blickte auf Terrania City hinab. Seine Hand legte sich um den Zellaktivator auf seiner Brust, aber er empfand absolut nichts dabei.
Andro-Rhodans Gedanken befaßten sich nicht mit dem ewigen Leben, sondern mit sehr naheliegenden Problemen. Er hatte die Aufgabe, die Menschheit und das Solare Imperium zu schädigen. Wenn er seinen Einsatz mit einem perfekten Ergebnis abschließen wollte, dann mußte er die Menschheit in den Abgrund führen.
Auch der Gedanke daran löste bei ihm keine Emotionen aus. Er berührte ihn nur insofern, als ihm bewußt wurde, wie ungeheuer schwer der Plan auszuführen war.
Die Luft flimmerte neben ihm. Als er sich umdrehte, materialisierte Gucky über einem Sessel. Der Mausbiber sah sich suchend um und ließ sich dann einfach in die Polster fallen. Er versank tief in ihnen, legte sich ein Kissen über den Bauch und schlug die Beine übereinander.
»Perry, ich komme gerade vom Golf von Akaba. Ich habe eine neue Sportart erfunden und darin gleich die Galaxismeisterschaft gewonnen. Wie findest du das?«
»Ich bin befremdet«, antwortete der Mann, den der Ilt für den Großadministrator hielt.
»Wie das?« fragte Gucky schnell. »Hast du etwa erwartet, ich würde Zweiter werden?«
Er blickte in das Gesicht des Terraners und erschrak. Rhodans Augen schienen sich mit Eis überzogen zu haben. In dem hageren Gesicht bewegte sich kein Muskel.
»Wir haben mit größten Schwierigkeiten zu kämpfen. In jeder Stunde kann ein neuer Angriff erfolgen, aber meine Mitarbeiter vergnügen sich und tragen überflüssige Wettkämpfe aus. Du kannst nicht wirklich glauben, daß ich für derartige Dummheiten Verständnis habe.«
»Das sind harte Worte«, erwiderte der Ilt unglücklich. Er tastete telepathisch nach Rhodan. Für einen kurzen Moment kamen Zweifel in ihm auf, ob ihm wirklich der Freund gegenüberstand. Der parapsychische Test bestätigte ihm jedoch sofort, daß alles in Ordnung war.
»Also, was willst du?« fragte Rhodan knapp.
»Ich dachte, du würdest dich dafür interessieren, daß ich im Mausbiberschwanzwasserski der erste …«
»Nein.«
»Na gut, dann gehe ich zu Bully. Das alte Schlachtroß war schon immer feinfühliger als du.«
Er betrachtete Rhodans Gesicht, doch erschien auch jetzt kein Lächeln auf den Lippen des Großadministrators. Gucky sah ein, daß er jetzt wenig ausrichten konnte. Er seufzte abgrundtief und wiederholte: »Also, ich gehe jetzt.«
Rhodan schwieg.
»Kann ich noch etwas für dich tun, Perry?«
»Ja, du könntest mich endlich allein lassen.«
Gekränkt teleportierte der Ilt.
Andro-Rhodan atmete auf. Eine große Last wich von seinen Schultern. Er fürchtete sich nicht gerade vor dem Mausbiber, fühlte sich aber doch in seiner Gegenwart nicht so sicher wie sonst. Kaum jemand kannte ihn so gut wie Gucky. Wenn
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