Silberband 079 - Spur des Molkex
Süden glitzernde Schwärme von Gleitern auf. Unsere Verfolger hatten unsere Spur entdeckt. Vielleicht waren sie auch einfach nur dem Urinsekt nachgeflogen, in das Rorvic sich verwandelt hatte.
Doch wie immer es sich auch verhielt, wir waren in keiner beneidenswerten Lage. Zwar konnte Tschubai mit mir teleportieren, aber was wurde dann aus Rorvic und dem anderen Insektenwesen?
Ich sah, dass sich die ploohnschen Gleiter sammelten und auf den Angriff vorbereiteten. Sie zögerten noch. Etwas schien sie von diesem Ort fern halten zu wollen, vielleicht wirklich eine Art Tabu, wie ich schon vermutet hatte. Aber sie würden nicht mehr lange zögern, das ließ sich aus ihren Manövern herauslesen.
Ich wollte mich wieder an das Rieseninsekt wenden, aber der Rorvic-Ploohn schnappte drohend mit seinen Beißzangen nach mir. Das blinde Insekt schien das nicht zu billigen. Es stieß mit dem Schädel in Rorvics Ploohn-Gesicht, wedelte erregt mit den Fühlern und wandte sich dann seinem Schlupfloch zu.
Der Rorvic-Ploohn schien zu begreifen, dass er uns zu dulden hatte. Er wich ein wenig zur Seite, und als Tschubai und ich dem blinden Insekt folgten, knackte er lediglich warnend mit den Beißzangen, traf aber keine Anstalten zu einem Angriff. Das blinde Rieseninsekt führte uns in einen halb verfallenen Gang, der sich spiralförmig durch den alten Bau nach unten wand. Es war dunkel, so dass Tschubai und ich unsere Helmlampen einschalteten, um etwas sehen zu können.
Der Rorvic-Ploohn folgte uns in zirka fünf Metern Abstand. Er hatte seine Hautflügel eng an den dunklen Körper gelegt, und seine Facettenaugen glitzerten dämonisch im Streulicht unserer Lampen. Nach einiger Zeit ertönten über uns laute Geräusche. Dann krachten die Entladungen von Energiewaffen. Wir hatten keine Ahnung, ob die Verfolger blind in den Gang schossen, um einen eventuellen Hinterhalt auszuschalten. Wir konnten uns auch nicht darum kümmern, denn wir wussten, dass wir einen Vorsprung herausholen mussten, wenn wir nicht getötet oder wieder eingefangen werden sollten.
Das blinde Rieseninsekt schien das ebenfalls zu wissen. Es eilte so schnell vorwärts, wie sein verkrüppelter Körper es erlaubte. Manchmal knickten seine restlichen Beine ein, aber es raffte sich immer sehr schnell wieder auf. Als wir eine Halle erreichten, deren Decke zu einem Drittel eingestürzt war, sah ich etwas Erstaunliches. In der Hallenwandung waren die Öffnungen von Wabenzellen, und in einigen der Zellen lagen die sterblichen Überreste – genauer gesagt, die leeren Chitinhüllen – von Rieseninsekten. Bei einigen Hüllen waren deutlich die schwarzen Schmelzränder von Thermoeinschüssen zu sehen. Die Insekten waren also keines natürlichen Todes gestorben.
»Grauenhaft!«, flüsterte ich.
»Durchaus nicht«, erwiderte Tschubai. »Es ist bei Insektenvölkern üblich, nur eine von den zahlreichen Königinnen einer Generation am Leben zu lassen. Bei den tierhaften Insektenformen erfolgt die Auslese durch Kämpfe der geschlüpften Königinnen. Intelligente Insekten wie die Ploohns treffen sicher eine wissenschaftlich fundierte Auswahl und lassen keine barbarischen Kämpfe mehr zu, bei denen unter Umständen wertvolles Erbgut verloren gehen kann.«
Eine Explosion erschütterte die Ruine. Bruchstücke lösten sich aus der Decke und fielen herab. Ras und ich schalteten sofort die IV-Schirme unserer Kampfanzüge ein, aber die ungeschützte blinde Königin und der Rorvic-Ploohn wurden von ein paar kleineren Trümmern getroffen. Die blinde Königin stürzte, kam wieder auf die Beine und brachte uns in ein Höhlenlabyrinth, das tief unter der Basis des Kuppelbaus liegen musste. Hier erst schien ihr eigentliches Reich zu sein. Die Höhlengänge waren von geisterhaft bleichem Licht erfüllt, das aus zahlreichen Rissen und Spalten zu kommen schien, in denen undefinierbare Schleier wogten. Ab und zu zuckte ein greller Blitz auf, richtete aber keinen Schaden an.
Die Verfolger schienen etwas zurückgefallen zu sein. Wir vernahmen zwar hin und wieder die Entladungen von Energiewaffen und das Dröhnen von Explosionen, aber es klang weiter entfernt als am Anfang unserer Flucht durch das Reich der blinden Königin.
Schließlich gelangten wir an den Eingang einer riesigen Höhle, eines Felsendoms, dessen Bodenfläche von einem See eingenommen wurde. Aber von was für einem See! Das Wasser – wenn es Wasser war – war von violetter Färbung und leuchtete von innen heraus. Etwa zehn
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