Silberband 079 - Spur des Molkex
vergangen, da stand die Verbindung. Der Kommandant warf das Gewicht seines Rangs in die Waagschale und brachte es fertig, mit Yandikor, Leticrons unmittelbarem Vertrauten, verbunden zu werden.
»Du musst einen mehr als triftigen Grund haben, aus einem derart kritischen Raumsektor einen Funkspruch hierher abzusetzen«, sagte Yandikor.
Der Kommandant beabsichtigte nicht, sich lange mit der Verteidigung seiner Handlungsweise aufzuhalten. »Ich bin gezwungen worden, Herr«, antwortete er unterwürfig, »von diesem Mann.«
Die Sendung lief über Breitband-Relais, mit Bildübertragung. Als Thomas Kantenberg im Bild erschien, konnte Yandikor seine Überraschung nicht verbergen.
»Du …?«, fragte er erstaunt.
»Die Entwicklung der Dinge«, erklärte Kantenberg, »machte es nötig, den Plan zu ändern. Das Versteck der Mutanten wurde von den Terranern ausgeräumt. Ich selbst trage eines der Mutantenbewusstseine in mir. Ich halte es für sinnvoll, auf dem schnellsten Weg nach Zabrijna zurückzukehren.«
Yandikors Überraschung wich nur zögernd. »Du … im Besitz eines der Mutanten?« Gleich dann jedoch erinnerte er sich an den praktischen Aspekt der Sache. »Hast du ihn fest unter Kontrolle, oder bereitet er dir Schwierigkeiten?«
»Ich habe ihn fest unter Kontrolle«, behauptete Kantenberg.
Yandikor wandte sich an den Kommandanten des Raumschiffs. »Du erhältst hiermit den Befehl, diesen Mann auf dem schnellsten Weg nach Zabrijna zu bringen. Du bist mir für seine Sicherheit verantwortlich. Wenn ihm etwas zustößt, wird der Corun of Paricza dafür sorgen, dass du den Tag verfluchst, an dem du geboren bist.«
Wie Kantenberg schon sagte: Die Entwicklung der Dinge machte es nötig, den Plan zu ändern. Ich hätte mich eigentlich auf dem Weg in die Provcon-Faust, nach Gäa, befinden sollen. Statt dessen steckte ich im Körper eines Verräters. Es hätte mir nicht schwer fallen sollen, in einen anderen Körper überzuwechseln. Mitunter kam Kantenberg einem Pariczaner so nahe, dass die beiden Persönlichkeitsfelder, die Aurae, einander überlappten. Aber weit und breit gab es nur Überschwere, und in ihrem Körper würde ich es nicht lange aushalten. Ich musste warten, bis wir Zabrijna erreichten.
Kantenberg wollte das Geheimnis der Dunkelwolke ergründen. Vielleicht konnte ich den Spieß umdrehen und stattdessen die Geheimnisse des neuen Hetrans der Milchstraße erforschen. Leticron würde Wert darauf legen, einen solchen Schatz, wie ihn das Bewusstsein eines Teleporters darstellte, ständig in unmittelbarer Nähe zu haben. Womöglich gab es da etwas zu erfahren. Leticron war selbst Mutant. Er wäre sicherlich ein idealer Gastgeber gewesen, wenn ich auch befürchtete, dass sein starker Wille mich bedingungslos in seinen Bann zwingen würde und ich zu völliger Bewegungslosigkeit verurteilt wäre. Aber vielleicht gab es andere Möglichkeiten. Was ich brauchte, war ein schwach mutierter Geist, den ich ohne große Mühe kontrollieren konnte. Fand ich ihn, dann konnte niemand mehr mich halten, auch Leticron nicht.
Die Zusammenarbeit mit Kantenberg funktionierte zufrieden stellend. Ich hatte den Verräter davon überzeugt, dass ich nicht an Verrat dachte. Im Augenblick der Gefahr überließ er mir die Kontrolle. Ich brachte uns in Sicherheit und gab die Kontrolle an ihn zurück. Was ich Kantenberg darüber mitgeteilt hatte, für wie gewichtig ich mein Wort hielt, war mir ernst. Überdies empfand ich Mitleid mit dem Verräter. Kantenberg war ein Mann, der sich irgendwann in der Vergangenheit einmal eine Reihe von Werten zurechtgelegt hatte. Er hatte dabei bewusst auf Konformität mit geltenden moralischen Regeln und Vorschriften verzichtet. Er glaubte, ein Recht darauf zu haben, sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Dieses Recht steht sicherlich jedermann zu, solange die eigenen Vorstellungen nicht bewusst darauf abzielen, die Rechte anderer einzuschränken. Kantenbergs Fehler war, dass er die Reihe seiner Werte seit ihrer Konzeption unverändert beibehielt, sie niemals überprüfte, keinen von ihnen jemals in Zweifel zog. Jetzt war er ein Mann in reifen Jahren, der den Idealen seiner frühen Jugend hinterherrannte.
Er würde in dieser Welt nicht lange bestehen. Er würde schließlich daran zugrunde gehen, dass es sein Geist nicht verstanden hatte, mit dem Körper zu wachsen.
Das pariczanische Walzenschiff brauchte drei Standardtage, um Zabrijna zu erreichen. Der Kommandant hatte befehlsgetreu
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