Silberband 080 - Menschheit am Scheideweg
Sternengleiters hindurch kann ich den Energieberg sehen. Er schimmerte silbrig blau. Der Glanz unvorstellbarer Erhabenheit geht von ihm aus. Ich spüre seine Nähe, und ich zittere. Bis zuletzt habe ich nicht geglaubt, dass es dies wirklich gibt.
Ich genieße die Nähe des Endes. Bald werde ich zum Berg hinübergleiten und mit ihm verschmelzen. Das wird das Ende meiner bisherigen Existenz sein. Und ich werde alle Lebenden vom Sternengleiter mit mir nehmen, weil ich weiß, dass auch sie die Auflösung als das höchste Glück empfinden werden.
Sie glauben wie ich an ein Leben nach dem Tode. Das gibt ihnen ihre bewundernswürdige Kraft und ihre Energie. Deshalb glauben sie an die Zukunft. Noch sind sie unwissend. Bald aber werden sie begreifen, dass dies auch ihr Paradies ist – wenn auch in einem ganz anderen Sinne, als sie es sich jetzt vorstellen.
Zwanzigtausend Männer und Frauen verließen die MEBRECCO durch die Schleusen an der Unterseite der Plattform und durch die Schleusen des Kugelteils. In Antigravfeldern sanken sie nach unten. Eine geradezu euphorische Stimmung machte sich breit.
Die Gründungskommission hatte die Pläne für die Zukunft bekannt gegeben. Jeder Bürger von Paradise sollte danach völlige Freiheit genießen. Niemand brauchte in der Nähe des Schiffs zu bleiben. Wer sich in irgendeinem anderen Winkel des Planeten als Einsiedler niederlassen wollte, konnte das ebenso tun wie jemand, der in der Nähe eine Farm aufbauen wollte. Die meisten Männer und Frauen hatten der Kommission bereits ihre Wünsche übermittelt. Oberst Danzien Germell war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass der Aufbau der Kolonie in etwa einem Jahr abgeschlossen sein konnte. Dann würde sie bereits autark sein und unabhängig von der Schiffsausrüstung leben können.
Vier Wochen später begleitete Oberst Germell die beiden Astronomen Kanscho und Vasnotsch an die große Hangarschleuse, die sich in der Plattform befand und auf gleicher Höhe lag wie die Hauptleitzentrale. An der äußersten Kante der Schleusenkammer blieben die drei Männer stehen.
»Nun bleiben nur noch Sie an Bord, Danzien«, sagte Kanscho und schob sich das Brillengestell höher auf die Nase hinauf. »Wann werden Sie in ein Haus übersiedeln?«
»Nur ich? Sie täuschen sich, Jasser. Lotse, wie wir den Fremden genannt haben, ist auch noch hier. Wenn ich nur wüsste, warum er immer noch in der Hauptpositronik steckt.«
Germell blickte auf Paradise City hinunter. Die Stadt war in der Form eines Blattes errichtet worden, sodass sämtliche Straßen kreuzungsfrei gebaut werden konnten. Es gab überall nur Einmündungen. Nur an wenigen Stellen arbeiteten noch die robotischen Baumaschinen. Die meisten von ihnen waren mit gartenbaulicher Verschönerung befasst. In den Straßen der Stadt herrschte lebhaftes Treiben. Die Siedler fühlten sich wohl unter der fremden Sonne.
»Ich kann es noch gar nicht fassen, Jasser«, sagte Germell begeistert. »Wir hätten es wirklich nicht besser treffen können.«
»Sie sollten das Schiff auch endlich verlassen«, entgegnete der Astronom. »Es ist nicht gut, wenn das gewählte Oberhaupt des Planeten nicht mitten unter den anderen Menschen lebt.«
»Sie haben Recht, Jasser. In ein paar Tagen werde ich umziehen. Ich bereite noch zwei Beiboote für einen Automatikflug zur Erde vor. Ich will, dass Rhodan erfährt, dass wir die Milchstraße gefunden haben und wo sie liegt.«
»Sie fürchten nicht, dass Sie dadurch unerwünschte Gäste hierher locken könnten?«
»Nein. Wir haben das gesamte Sonnensystem durchsucht. Wir sind die einzigen intelligenten Lebewesen hier.« Er reichte den beiden Männern die Hand. Auch Vasnotsch erwiderte den freundschaftlichen Gruß. Er schien dem Kommandanten verziehen zu haben.
Danach traten die beiden Astronomen in das flimmernde Antigravfeld hinaus und ließen sich von ihm nach unten transportieren. Germell blickte ihnen lange nach. Als er sich abwenden wollte, fiel ihm eine schwarze Wolkenfront auf, die sich von Nordwesten heranschob.
»Das sieht nach einem Unwetter aus«, murmelte er. Er nahm sich vor, die Stadt zu warnen. Zuvor jedoch wollte er sämtliche Schleusen des Tenders schließen, obwohl er damit gegen seine ursprüngliche Absicht verstieß. Zunächst hatte das Raumschiff offen bleiben sollen, obwohl es dadurch auf lange Sicht zerstört worden wäre. Nun aber sagte Germell sich, dass sich keine Kolonie einen derartigen Luxus leisten konnte. Der Tender mit den Beibooten war
Weitere Kostenlose Bücher