Silberband 081 - Aphilie
den Verteidigungsforts, sodass eine Annäherung mit allergrößter Vorsicht erfolgen musste.
Die drei Siganesen sahen den Dingen, die sie auf dem Mond erwarteten, noch mit großem Gleichmut entgegen. Sie spielten das letzte Tocco-Tan zu Ende, bevor sie sich auf die Landung konzentrierten. Wenn einer von ihnen unruhig war, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Es war denkbar, dass die aphilische Regierung die Anordnung aufgehoben hatte, dass Meteoriten bis zu einer gewissen Größe nur dann zu zerstrahlen waren, wenn sie beim Aufschlag Menschen oder Einrichtungen gefährdeten. Niemand war mehr an einer Analyse solcher kosmischer Trümmer interessiert. In dem Falle wäre die VULCAN verloren gewesen, da sie wegen der Ortungsgefahr keinen Schutzschirm aktivieren durfte.
Doch nichts geschah. Ungehindert raste die VULCAN der Mondoberfläche entgegen. Im Norden schien eine Explosion stattzufinden – es war nur ein Reflex der Panzertroplon-Kuppel von Rainbow, die das schräg einfallende Sonnenlicht spiegelte.
Innerhalb von Sekunden wuchs der tiefe Krater Harpalus zum Schlund eines Ungeheuers. Er durchmaß fünfunddreißig Kilometer, und es grenzte beinahe an ein Wunder, dass die Berechnungen so genau waren, dass die VULCAN exakt ins Zentrum des Kraters stürzte.
»Tor!«, sagte Kaddy Gonsten trocken.
Im gleichen Augenblick schalteten die Photonenstrahltriebwerke auf vollen Bremsschub, wurde der normalenergetische Schutzschirm aktiviert.
Der ungeheure Ruck, der durch das Schiff fuhr, war nur optisch auszumachen, denn die Andruckneutralisatoren verhinderten jede körperliche Beeinträchtigung. Die Photonenstrahlen der Triebwerke verbreiteten für Sekundenbruchteile grellweißes Licht. Am südlichen Kraterrand schlug einer der echten Meteoriten auf, explodierte und überdeckte damit hoffentlich die energetischen Emissionen des Bremsmanövers.
Lächerliche eineinhalb Meter über dem Kraterboden kam die VULCAN zum Stillstand. Eine Schockwellenbombe simulierte den Aufprall eines fünf Meter durchmessenden Meteoriten. Gleichzeitig aktivierte Kaddy Gonsten die Desintegratorfräse und ließ das Schiff sich förmlich in die östliche Kraterwand hineinfressen.
Mit einer Geschwindigkeit von wenigen Metern pro Sekunde glitt die VULCAN durch zerstäubendes Felsgestein. Jiffer Springo brachte die äußeren fünfzig Meter des Stollens durch weiteren Waffeneinsatz zum Einsturz, dann begann erneut ein quälendes Warten.
Eine neue Runde Tocco-Tan … Als nach gut einer Stunde immer noch nichts geschehen war, ließ Kaddy Gonsten das Schiff den Rest des Kraterwalls durchbrechen und steuerte es nach Süden, näher an die Regenbogenbucht und damit an die Zugänge zur lunaren Inpotronik heran.
Inmitten eines weitläufigen Geröllfelds fuhr die VULCAN neun Spreizstützen aus und verankerte sich mechanisch so, dass der ›Meteorit‹ einen halben Meter über das Niveau der Oberfläche ragte. Das Schiff konnte selbst einem aufmerksamen Beobachter nicht auffallen. Nur, falls jemand hoch empfindliche Ortungsgeräte auf die Stelle richtete – aber das war höchst unwahrscheinlich.
Gonsten lehnte sich entspannt in seinem Kontursessel zurück und sagte: »Dann wollen wir mal aussteigen und uns die Füße vertreten, Freunde.«
8.
Natürlich hatte Kaddy Gonsten seinen Ausspruch nicht wörtlich gemeint. Für die kleinen Siganesen wäre ein Fußmarsch bis zur nächsten Oberflächenkuppel NATHANs viel zu beschwerlich gewesen. Sie flogen deshalb mit Hilfe ihrer Antigravgeräte, wobei sie sich dicht über dem Boden hielten, um nicht von der Ortung des lunaren Verteidigungssystems erfasst zu werden.
Aufgrund der äußerst schwachen Antigravleistung hätten Messgeräte die minimale Streustrahlung höchstens bis zu einer Entfernung von wenigen hundert Metern anmessen können. Vorsichtshalber schalteten die Siganesen ihre Aggregate aber schon fünfhundert Meter vor der ersten Kuppel aus. Den Rest des Weges legten sie zu Fuß zurück, eine beachtliche Leistung, denn relativ zu Erdgeborenen waren das fünfeinhalb Kilometer. Außerdem bedeuteten Bodenerhebungen und Gesteinsbrocken, die ein Mensch nicht einmal bewusst wahrgenommen hätte, für die durchschnittlich sechzehn Zentimeter großen Männer echte Hindernisse. Andererseits bot das Geröll natürlich einen guten Sichtschutz für den Fall, dass jemand in der Kuppel die Umgebung beobachtete.
Obwohl alle drei die Kuppel erreichten, ohne dass jemand oder etwas auf ihre Annäherung reagiert
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