Silberband 086 - Inferno der Dimensionen
zu fragen. Allerdings bin ich mittlerweile überzeugt, dass sein Wissen nicht allzu weit reicht. Was wirklich hinter dem Spender der Zufriedenheit steckt, weiß weder Wang noch sonst jemand in diesem Land. Ich werde es mühsam in Erfahrung bringen müssen.«
»Wie Sie wünschen«, bemerkte der Alte.
»Ich werde Sie bei nächster Gelegenheit verlassen«, fuhr Bull fort. »Vielleicht sogar ohne Abschied. Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Ihnen dankbar bin.«
»Für Ihre Dankbarkeit besteht keine Ursache«, wehrte der Alte ab. »Ich bedauere es, dass Sie nicht länger unser Gast sein können.«
»Ich bedeute für Sie eine Gefahr. Der Anschlag ging von Heylin Kratt aus. Wenn Sie von Kratt gehört haben, wissen Sie, dass er den Versuch wiederholen wird. Solange es Leute gibt, die ihm gehorchen, wird er nicht müde werden, mich zu jagen. Sobald ich fort bin, lassen Sie aller Welt verkünden, dass Amouar sich nicht mehr in Ihsien aufhält.«
»Ihre Rücksichtnahme beschämt mich«, antwortete Hsiao Li Tsen.
Vor der Tür seines Hauses reichte Bull ihm die Hand. »Ich weiß nicht, wie oft wir noch Gelegenheit haben werden, miteinander zu sprechen. Ich wünsche Ihnen den Frieden, den Sie ersehnen … auch nachdem unser Planet in den Schlund gestürzt ist.«
Am nächsten Tag suchte Bully nach Ta Wen Tang. Aber der Mann mit dem großen Misstrauen war nirgendwo zu finden. Er erkundigte sich nach ihm, doch keiner der Leute, die normalerweise mit Ta zu tun hatten, hatte ihn seit dem Morgen des vergangenen Tags gesehen. Da wusste Reginald Bull, dass Ta Wen Tang ihn verraten hatte. Wahrscheinlich hatte er sich selbst unter den Angreifern befunden und war mit ihnen getötet worden. Bull erhielt die Erlaubnis, Tas Haus zu durchsuchen; aber er fand nichts, was der Aufklärung gedient hätte. Wie war es Ta Wen Tang gelungen, seine Maske zu durchschauen? Vor allem: Wie kam Ta dazu, mit den Aphilikern gemeinsame Sache zu machen? Alle diese Fragen würden wahrscheinlich für immer unbeantwortet bleiben. Es gab, soweit Bully erkennen konnte, nur einen brauchbaren Hinweis: Ta Wen Tang war unlängst wochenlang von Ihsien abwesend gewesen. Er war erst zwei Tage vor Kitcheners Angriff in die Stadt zurückgekehrt. Also bestand die Möglichkeit, dass Ta Wen Tang Bulls Spur schon früher aufgenommen und bis nach Ihsien verfolgt hatte.
Vier Tage nach dem Überfall brach Reginald Bull zu seinem üblichen Spaziergang auf. Die Bürger der Stadt hatten sich daran gewöhnt, dass er jeden Tag stundenlang durch die Gegend lief.
Vom höchsten Punkt des Hügels blickte er ins Tal zurück. Wenn Wang Yü Chi sich an den Fahrplan hielt, musste er in Kürze zu einer Fahrt nach Westen aufbrechen. Heute war der Tag, an dem Bull ihm folgen wollte, deshalb schweifte sein Blick fast liebevoll über die kleine, altmodische Stadt. Er sah sie zum letzten Mal für lange Zeit – vielleicht zum letzten Mal überhaupt.
Nach knapp zweistündigem Fußmarsch erreichte er das Versteck seines Gleiters. Er überprüfte die Sicherungen und gelangte zu der Überzeugung, dass sich in der Zwischenzeit niemand an dem Fahrzeug zu schaffen gemacht hatte. Er stieg ein, schloss das Luk und justierte die Ortung, die er mit einer Zusatzeinrichtung für das charakteristische Frequenzmuster von Wang Yü Chis Gleiter versehen hatte. Eigentlich konnten nur noch zwei Dinge schiefgehen: dass Wang heute zu Hause blieb oder dass er ein anderes als das übliche Fahrzeug benützte.
Gegen 15 Uhr reagierte der Orter. Bull erkannte den typischen Reflex, der sich soeben über die Lumineszenzlinie des Horizonts geschoben hatte. Das war Wang Yü Chi mit seinem Fahrzeug. Bull setzte das Triebwerk in Gang und steuerte den nächsten Bergkamm an.
28.
Der Flug dauerte über zwei Stunden und führte südlich an Huangshi und Chiayü vorbei über den Seenkomplex des Hung und Tungting. Die weiten Industrieanlagen, von unregelmäßigen Grünflächen unterbrochen und einstmals voller Leben und Geschäftigkeit, wirkten selbst aus beträchtlicher Flughöhe verlassen und dem Verfall preisgegeben. Ein Gefühl der Wehmut beschlich Bull, einsam in seinem Gleiter, als er sich an die Jahrhunderte erinnerte, in denen gerade diese Gegend eines der produktivsten Industriepotenziale der Erde dargestellt hatte.
Wang Yü Chis Fahrzeug verließ die bisherige Flughöhe von zweihundert Metern. Der Abstand zwischen beiden Gleitern betrug etwa zwanzig Kilometer. Reginald Bull beschleunigte. Er musste
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