Silberband 086 - Inferno der Dimensionen
Ähnliches ist es schon. Allerdings hält sich mit Sicherheit keine Gottheit in dem Gebäude auf, sondern ein sterbliches Wesen wie wir oder ihr. Irgendwie ist es ihm gelungen, sich Macht zu verschaffen, und nun herrscht es über Knosaur.«
»Nicht nur über Knosaur«, berichtigte ihn Preschtan. »Der ganze Kontinent ist ihm untertan, in allen größeren Städten gibt es Wimmerplätze und Juchten.«
»Ist das sicher?«, fragte Lloyd bestürzt.
Der Tonamer nickte nachdrücklich. »Ganz sicher, Fellmer«, bestätigte er. »Es geht hier seit mehreren Jahrhunderten so, und in dieser Zeit sind immer wieder Männer wie wir an Land gegangen. Nicht viele davon sind zurückgekehrt, aber alle haben übereinstimmend das Gleiche berichtet.«
Fellmer Lloyd gab dem Mausbiber ein Zeichen. Sie schalteten ihre Translatoren ab, um sich ungestört unterhalten zu können. »Was hältst du davon, Gucky?«, fragte er nachdenklich. »Wenn das stimmt, gibt es nicht nur in Knosaur parapsychisch begabte Wesen, sondern auch in anderen Städten. Ich habe davon aber nichts bemerkt – hast du etwas gespürt? Ich habe dich ohnehin im Verdacht, dass du mir längst nicht alles gesagt hast, was du weißt.«
Der Ilt blinzelte gekränkt. »Wofür hältst du mich eigentlich?«, ereiferte er sich. »Mann, wir haben einen Auftrag von Perry, glaubst du wirklich, ich wollte dabei mein eigenes Süppchen kochen? Ich mache schon ab und zu mal Quatsch, aber bestimmt nicht dann, wenn es um solche Dinge geht. Wenn du mir nur das Geringste nachweisen kannst, lasse ich freiwillig meinen Nagezahn schleifen.«
Lloyd zog eine Grimasse. »Fahr nicht gleich aus der Haut, Kleiner. Gut, ich glaube dir, aber damit ist das Rätsel nicht gelöst. Wenn an mehreren Orten zur gleichen Zeit dasselbe geschieht wie hier, ist das mehr als merkwürdig. Einen Mutanten – und wäre er mit noch so großen Kräften ausgestattet –, der seine Gaben pausenlos über Tausende von Kilometern hinweg einsetzen kann, gibt es wohl nicht.«
»Pausenlos ist richtig, wenn du die örtlichen Zeitunterschiede berücksichtigst.« Gucky nickte. »Die komischen Impulse gehen aber eindeutig nur von hier aus, du hast ja auch keine anderen empfangen. Es gibt also auf Grosocht etwas, das es gar nicht gibt, und das Schlimmste daran ist, dass es uns vollkommen matt gesetzt hat. Wenn ich noch so könnte wie sonst, würde ich dieser miesen Gottheit schon zeigen, wo die Mohrrüben wachsen, das darfst du mir glauben.«
Fellmer zuckte mit den Schultern und schaltete den Translator wieder ein. »Könnt ihr uns sagen, wie es mit uns allen weitergehen soll?«, fragte er.
Erwisch ließ bedrückt die Ohren herabsinken. »Der Hauptmann der Ordnungshüter hat angekündigt, dass man uns morgen früh auf dem Wimmerplatz lebendig begraben wird«, gab er mutlos zurück. »Wir hatten unseren Wächter, den Folterriesen Keschimm, schon so weit beschwatzt, dass er uns entkommen lassen und sogar mit uns fliehen wollte. Ob das jetzt noch gilt, ist sehr fraglich, denn dann kamt ihr …«
»Tut uns Leid, das konnten wir wirklich nicht ahnen«, entschuldigte sich der Mausbiber mit ungewohntem Zartgefühl. Er blies die Backen auf und setzte kleinlaut hinzu: »Wir werden wohl euer Schicksal teilen, denn ich glaube kaum, dass man hier zwischen Frevlern und angeblichen Dämonen große Unterschiede macht …«
»Gucky!«, mahnte Fellmer Lloyd vorwurfsvoll. »Willst du aufgeben? Das wäre ganz neu an dir. Im Übrigen haben wir immer noch den Shift und die KLONDIKE hinter uns, vergiss das nicht.«
Der Ilt kicherte humorlos vor sich hin. »Du bist ein Scherzbold! Diese Gottheit hat uns so mühelos kaltgestellt, dass ich ihr noch einiges mehr zutraue. Wenn ihre Stärke dafür ausreicht, wird sie auch die Aggregate im Shift lahm legen, und dann sitzt Bertoli ebenso in der Patsche. Horvat wiederum wird nicht ernsthaft damit rechnen, dass wir zwei hier den Kürzeren ziehen könnten, er wird also erst mal eine Zeit lang warten, ehe er etwas unternimmt. Wenn er dann mit der KLONDIKE kommt, schauen wir uns vielleicht schon die Mohrrüben von unten an …«
Der halbe Nachmittag von Grosocht war vergangen, aber an ihrer Lage hatte sich nichts geändert. Niemand kümmerte sich um die Gefangenen. Für alle vier war es wie eine Erlösung, als endlich die Eingangstür knarrte. Schwere Schritte dröhnten über den hölzernen Boden, dann erschien Keschimm. Ein Blick in sein Gesicht verriet den Mutanten, dass er nicht Herr über sich
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