Silberband 092 - Das MODUL
erinnerte sich die Frau. »Ich befürchte fast, dass er sich daran nicht halten will.«
Joscan Hellmut lehnte sich zurück. »Wer weiß, ob wir Terra jemals erreichen. Lareena, du kannst den Jungen nicht immer für dich beanspruchen.«
»Er braucht mich. Er ist sensibel und erwartet viel Verständnis. Nur ich kann ihm das geben, weil ich ihn besser kenne als jeder andere.«
»Niemand bestreitet das. Aber mit Bjo ist eine Wandlung vorgegangen. Du wirst das verstehen, wenn du ihn siehst. Er ist älter und reifer geworden und hat Zugang zu Wahrnehmungen, die den meisten Menschen verborgen bleiben.«
»Dann stimmt also, was erzählt wird? Bjo hat die SOL durch die Materiewolke gesteuert?«
Hellmut lachte unterdrückt. »Das ist zweifellos übertrieben. Der Katzer hat lediglich seine Instinkte weiterentwickelt. Er hat ein überragendes Gefühl für kosmische Konstellationen.«
Lareena schaute den Mann unglücklich an.
»Wenn du ihn siehst«, fuhr Hellmut fort, »wirst du alles sehr viel besser verstehen.«
Lareena hatte die letzten Worte schon nicht mehr vernommen, denn sie hatte Bjo entdeckt, der im Eingang des Aufenthaltsraumes erschienen war und zu ihnen herüber sah. »Bjo!«, flüsterte sie.
Der rot-braun gefleckte Katzer kam in seiner geschmeidigen Gangart näher und stieß mit dem Kopf gegen die Schulter seiner Mutter. Sie strich ihm sanft über die Stirn.
»Ich … ich gehe jetzt.« Hellmut räusperte sich verlegen und erhob sich so hastig, dass er fast die Getränke umgestoßen hätte.
Bjo nahm Platz.
Lareena studierte das Gesicht ihres Sohnes und fand, dass es hagerer geworden war. Bjo sah ernst aus.
»Ich bin froh, dass du wieder bei mir bist«, sagte sie.
»Ich hatte dich nie verlassen«, erwiderte der Katzer. »Nicht im eigentlichen Sinn.«
»Wie ich hörte, hast du ein paar erstaunliche Taten vollbracht.« Lareena fühlte sich unsicher. »Ohne deine Hilfe wäre das Unternehmen kein Erfolg geworden.«
»Das ist übertrieben«, wehrte Bjo ab.
Irgendetwas, das spürte Lareena deutlich, hatte sich an ihrem Sohn verändert, und das war nicht nur äußerlich. Bjo wirkte nicht mehr so vertraut.
»Willst du mit mir darüber sprechen?«
Der Katzer schnurrte behaglich und streckte den Oberkörper über den Tisch, sodass seine Mutter ihn streicheln konnte.
»Das Universum hat eine eigene Stimme«, sagte er nach einiger Zeit. »Und ich verstehe sie.«
Lareena stellte keine Fragen. Sie bebte, weil sie glaubte, etwas Unverständliches und Fremdartiges in Bjo wahrzunehmen.
»Hinter den stählernen Wänden des Schiffes öffnet sich der Kosmos«, fuhr der Katzer fort. »Ich höre seine Stimme tief in mir, die Stimmen von Sonnen, Planeten und energetischen Strömungen. Es ist ein immerwährender, gewaltiger Chor. Ich bin ein Teil davon.«
»Oh Bjo!«
»Es ist nichts, was du fürchten müsstest.«
Er glitt unter den Tisch, rollte sich zusammen und war wenige Augenblicke später eingeschlafen. Sein Kopf lag auf Lareenas Füßen. Die Frau blieb sitzen und rührte sich nicht, denn sie fürchtete, dass die geringste Bewegung seinen Schlaf unterbrechen würde.
Ab und zu kamen Besatzungsmitglieder in den Aufenthaltsraum. Die Männer und Frauen, die Bjo unter dem Tisch liegen sahen, blickten verlegen in eine andere Richtung.
Als sie mit ihrem Sohn wieder allein war, dachte Lareena über das nach, was er gesagt hatte, und sie ertappte sich dabei, dass sie ihre Sinne auf den Weltraum außerhalb der SOL konzentrierte. Unbewusst, dachte sie, empfing jeder Mensch Botschaften aus dem Kosmos.
Bei Bjo war das anders. Er hatte seine Sinne für diese Signale geöffnet. Unter Blinden ist der Einäugige König!, schoss es durch ihre Gedanken.
Sie hatte nicht länger das Recht, Bjo an sich zu binden. Er war auf eine andere Ebene getreten und brauchte Freiheit. Was er dort erfuhr, konnte Lareena ihm nicht geben.
In ihrer Fantasie sah sie Bjo im Kreis der Mutanten. Es war ein Bild, das ihre Gefühle erwärmte.
»Ich hatte dich nie verlassen«, hörte sie Bjo wieder sagen. »Nicht im eigentlichen Sinn.« Lareena ahnte, was ihr Sohn mit diesen Worten gemeint hatte. Die Vorstellung räumlicher Trennung basierte auf der Funktionsweise menschlicher Sinnesorgane. Für den Katzer schien sich das alles anders darzustellen. Er verstand sich als Teil des Ganzen. Und das Ganze war allgegenwärtig.
Die Borduhren der SOL zeigten den 6. Januar des Jahres 3583.
In der Zentrale des Schiffes standen sich zwei Männer gegenüber,
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