Silberband 093 - Abschied von Terra
Kellerlabyrinth. Hier lagerten Lebensmittel und Ersatzteile. In einigen Räumen waren Hyptons eingesperrt. Der Lare sah die kleinen fledermausähnlichen Gestalten eng aneinander geschmiegt auf dem Boden ihrer Zellen hocken. Sie versuchten instinktiv, sich zu traubenförmigen Gruppen zusammenzuschließen, wie es ihrer Mentalität entsprach. Aber die Gruppen waren zahlenmäßig zu schwach, um funktionsfähige Trauben zu bilden. Die Hyptons litten furchtbar darunter. Sie versuchten, Gavelin-Aat zu überreden, sie mit seinem Impulsnadler zu erlösen. Doch der Lare kümmerte sich nicht um ihr leises Flehen.
Vor dem Kelleraufgang, den er benutzen wollte, sah er durch das Gitter einer Zelle die riesenhafte Gestalt des gefangenen Ertrusers. Runeme Shilter lag auf einer breiten Pneumoliege und schien schon nicht mehr wahrzunehmen, was um ihn herum vorging.
Gavelin-Aat zwang sich, den Gefangenen genau zu mustern. Shilter trug erst seit zwanzig Stunden keinen Zellaktivator mehr, aber schon zeichnete sich der Prozess des Zellzerfalls deutlich ab. Seine ehemals straffe Haut war welk geworden und runzlig. Der sandfarbene Haarkamm hatte sich grau verfärbt und gelichtet. Die Augen lagen tief in den Höhlen.
Gavelin-Aat erschauderte. So werde ich aussehen, wenn ich den Zellak tivator längere Zeit getragen habe und ihn verlieren sollte!, sagte er sich.
Als hätte der Ertruser die Gedanken wahrgenommen, regte er sich plötzlich. Seine breite Brust hob und senkte sich in einem rasselnden Atemzug, dann richtete Runeme Shilter sich mühsam auf. Aus stumpfen Augen starrte er den Laren an. »Wer bist du?«, fragte er matt.
Gavelin-Aat sah bei den Mundbewegungen des Ertrusers einzelne Zahnlücken und schon locker hängende Zähne. Er brachte es nicht fertig, etwas zu sagen, denn das Entsetzen schnürte ihm die Kehle zu.
»Töte mich!«, bat Shilter. »Ich will sterben, bevor der Zellzerfall mein Gehirn erfasst und mich zum lallenden Idioten macht.«
Von Grauen geschüttelt, wandte der Lare sich um und lief davon.
»Ich verfluche euch!«, schrie der Ertruser ihm nach. »Zu feige, um einen Wehrlosen zu töten. Ihr sollt elend zugrunde gehen und noch …« Röchelnd brach er ab. Ein Geräusch verriet, dass er auf die Pneumoliege zurückgefallen war.
Gavelin-Aat jagte in weiten Sprüngen den Kelleraufgang hinauf. Er hatte schon viele Intelligenzen sterben sehen und darunter nicht eben wenige von seiner Hand, aber das jämmerliche Dahinsiechen eines körperlichen Giganten ließ seine Nerven flattern. Niemals werde ich mir den Zellaktivator abnehmen lassen!, schwor er sich, ohne daran zu denken, dass er ihn noch gar nicht besaß.
Oben blieb er stehen, um sich zu beruhigen. Die weiteren Aktionen verlangten Kaltblütigkeit, denn Hotrenor-Taak hatte dafür gesorgt, dass der Zellaktivator wie ein kostbarer Schatz bewacht wurde.
Erst nach einer Weile lief Gavelin-Aat weiter. Er erreichte die Sensoren der Alarmanlage und arbeitete mit seinen Präzisionsinstrumenten mindestens zehn Minuten lang an den positronischen Schaltungen.
Danach drang er in den Zentralraum des Stützpunktrechners ein. Die Positronik konnte keinen Alarm geben, weil er zuvor die Alarmanlage manipuliert hatte. Weitere Schutzmaßnahmen gab es für den Rechner nicht, denn Hotrenor-Taak hielt den Stützpunkt auf Rolfth für absolut sicher.
Gavelin-Aat übertrug die vorbereiteten Daten. Auch für solche Sabotageakte war er vom Konzil ausgebildet worden. Als die Bestätigungsanzeige aufleuchtete, durfte er sicher sein, dass die Positronik den Aufbewahrungsort des Zellaktivators von der Überwachung ausgeschlossen hatte.
Wenige Minuten später erreichte Gavelin-Aat den Labortrakt. Vor dem Eingang hielten Kampfroboter Wache. Aber sie reagierten nicht auf sein Erscheinen, denn sie wurden vom Stützpunktrechner gesteuert, der sie schlicht deaktiviert hatte.
Bevor der Lare den Tresor betreten konnte, einen von transparenten Stahlplastikwänden umschlossenen würfelförmigen Raum, in dem der Zellaktivator lag, wenn er nicht gerade untersucht wurde, musste er einen Auswertungsraum durchqueren. Hier arbeiteten ständig Wissenschaftler. Sie auszuschalten, bewältigte Gavelin-Aat mit oft geübter Routine. Mit Hilfe eines Hochenergie-Lasers bohrte er ein winziges Loch durch die Wand des Auswertungsraums und ließ anschließend komprimiertes Nervengas einströmen, das bei Hautkontakt Lähmungen und Amnesie bewirkte. An der Luft zersetzte es sich innerhalb von zwei
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