Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
es die Unglückliche befallen und nahezu bewegungsunfähig gemacht.
Gucky unterdrückte seine erste Regung, dem offenbar todgeweihten Wesen zu helfen. Zu stark und zu bösartig war die Aura, die ihm entgegenschlug.
»Weiter!«, befahl der Mausbiber energisch. »Diese Kreatur will uns aufhalten oder sogar vernichten. Wir können nicht helfen.«
Alle machten einen großen Bogen um die entstellte Kelsirenfrau. Sie spürten die bösartige Ausstrahlung, die von ihr ausging.
In der Halle hatten Wände, Decke und die wuchernden Gebilde ein mattes Licht verbreitet, im Höhlengang wurde es wieder dunkel. Die Scheinwerferkegel blieben schon nach wenigen Metern auf einem Vorsprung hängen und vereinigten sich zu einem grellen Lichtfleck, der das Gebilde plastisch aus der Dunkelheit hervorholte.
Es war wieder eine Kelsirenfrau. Auch sie wurde nahezu völlig von dem dunklen Kristallgeflecht eingehüllt. Der Körper verschwand fast unter der unheimlichen Materie und war kaum mehr zu erkennen. Außerdem war die Frau mit der Wand verwachsen.
Es sah so aus, als wollten die Toten Kinder der Kaiserin von Therm ihr Opfer nicht nur bändigen, sondern es in sich aufnehmen. Das aber widersprach Guckys Theorie über die Motivation der Kaiserin, es sei denn, die sterbenden Kristalle waren auf die Energie organischer Lebewesen angewiesen.
Der mentale Druck wurde fast unerträglich. In regelmäßigen Abständen schienen jetzt Kelsirenfrauen in die Wände hineinzuwachsen. Es war ein schrecklicher Anblick.
Die vier mochten sich etwa dreihundert Meter von der Halle entfernt haben, als hinter ihnen und vor ihnen zur gleichen Zeit die Decke einbrach. Die Katastrophe ereignete sich mit solcher Schnelligkeit und Präzision, dass an ihrer Ursache kein Zweifel bestehen konnte. Es handelte sich um eine Falle.
Tolot stürzte sich ohne Zögern auf die herabgebrochenen kristallinen Massen und wollte sie beiseite räumen, als Gucky ihm zurief: »Lass den Unsinn! Es ist klar, dass uns das Zeug angreifen will, das haben wir ja schon die ganze Zeit über gespürt. Aber das ist kein Grund zur Aufregung. Wir teleportieren.«
»Der mentale Druck ist stärker geworden«, warnte Tolot. »Bist du sicher, dass eine Teleportation möglich ist?«
»Wahrscheinlich nur geradlinig durch die Einbruchstelle hindurch, aber das würde genügen.«
»Warum versuchst du es dann nicht?«
»Wenn du den Mund hältst, kann ich mich vielleicht konzentrieren, Dicker.«
Gucky ging ein paar Schritte zurück, bis er vor den herabgestürzten Massen stand. Der einsetzende ziehende Schmerz verriet ihm sofort, dass es sinnlos war, teleportieren zu wollen. Entmutigt gab er auf.
»Dann werde ich mich wohl an die Arbeit machen müssen«, seufzte der Haluter.
Der Haluter wuchtete einen Kristallblock nach dem anderen aus dem Trümmerhaufen und schichtete sie an den Wänden auf, um den Gang nicht erneut zu versperren.
Caral Pent, die neben Gucky auf dem Boden saß und schweigend wartete, bewegte sich mit einem Mal unruhig hin und her, dann schrie sie auf. Sie versuchte aufzuspringen, sackte aber wieder zurück. Ein Kristallstrang verband sie mit der Wand.
Talcot riss seinen Strahler aus dem Holster. Als Gucky zustimmend nickte, zielte er sorgfältig und durchtrennte den Strang, der die Kosmobiologin an die Wand fesselte. Danach befreite er sich selbst.
Der Mausbiber war seltsamerweise nicht attackiert worden.
»Bewegt euch und bleibt nicht zu lange an einer Stelle, dann haben die Kristalle keine Gelegenheit, euch anzugreifen«, riet Tolot. »Sie scheinen uns lebendig überwältigen zu wollen, das ist unser Vorteil. Übrigens bin ich fast durch, ich spüre schon einen Luftzug.«
Wenig später war das Loch so groß, dass der Haluter zwar nur unter einigen Schwierigkeiten, die anderen jedoch leicht hindurchschlüpfen konnten. Im Anschluss führte der Stollen unverändert fort.
Die vier passierten weitere Kammern. Überall sahen sie nun Kelsiren, die zwar mit dem dunklen Geflecht behaftet, aber nicht so unbeweglich waren wie jene, die sie in der Halle gefunden hatten. Die Wesen von Drackrioch kümmerten sich nicht um die Eindringlinge. Sie sammelten lose Kristallbrocken ein, luden sie auf kleine Schwebeloren und verschwanden damit in den überall einmündenden Nebengängen.
Als Zamya-Lo das Alter erreicht hatte, betrat sie widerstandslos das Transportschiff, das sie nach Lugh-Pure bringen sollte. Sie wusste nicht, was sie erwartete. Vielleicht der Tod, falls die Kaiserin es so
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