Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
seiner Erinnerung fehlte ein Datum, das er in Bezug bringen konnte. »Ich brauche weitere Informationen.«
Er aktivierte ein Testprogramm.
»Wo befindet sich diese Station?«
Die Positronikstimme war männlich, ein Bariton, der weder sonderlich angenehm noch unangenehm klang – eine durchaus normale Kunststimme. Äslinnen kannte fortschrittlichere Anlagen dieser Art, nur hatte er nicht die geringste Ahnung, ob er dieses Gerät tatsächlich folgerichtig als aus weit zurückliegender Produktion stammend einstufen durfte.
»Die Relaisstation des Solaren Imperiums befindet sich auf einer stabilen Umlaufbahn in der Eastside der Galaxis. Die Koordinaten des Bahnmittelpunkts sind …« Zahlen und Buchstabenkombinationen folgten. Der Verstand Pumáns, der bis eben passiv beobachtet hatte, schob sich in den Vordergrund und gab Äslinnen eine kurze Erklärung.
»Wiederhole die Koordinaten!«, verlangte der Positroniker sofort.
Abd el Pumán verstand die Koordinaten, erfasste den Standort der Station beziehungsweise die Position im Weltraum, um die herum sich SI-RS-290 auf einer Halbjahresbahn bewegte, dann ließ er seinen Körper fragen: »Die Relaisstation war ein Treffpunkt zwischen Menschen und Blues?«
»Richtig«, bestätigte die Positronik. »Mittlerweile ist die ehemalige Besatzung abwesend, ein Kontakt mit Angehörigen der Blues fand zum letzten Mal im Mai des Jahres 3460 statt.«
»Ich verstehe. Drucke die Koordinaten zur Sonne Soluman, Richtung, Distanz und alle anderen wichtigen Informationen aus!«
»Die Ausgabe wurde eingeleitet.«
Lautlos verständigten sich Äslinnen und Pumán. Der Astronom und der Positroniker tauschten ihre Überlegungen aus. Abd el Pumán erklärte, dass er die von ihm erwähnte Sonne in seiner Erinnerung gefunden hatte. Ihr System lag in der Nähe des Blues-Gebietes. Damit wurde die Position der verlassenen Station konkreter.
Dann übernahm wieder Äslinnen den Körper. »Berichte in kurzen Zügen über die letzten gespeicherten Informationen, die Menschheit betreffend!«
Die Positronik erwiderte, dass die letzten Informationen aus dem Jahr 3460 stammten und daher veraltet wären.
»Das ist unwichtig. Alle Informationen ausdrucken!«
Mit einem tiefen Summgeräusch arbeitete der Schnelldrucker. Eine eng beschriebene Folienbahn wurde ausgegeben, die Äslinnen sofort an sich nahm.
Was Pynther Äslinnen erfuhr und damit auch die anderen, war aufregend und unbefriedigend zugleich. Die dramatischen Ereignisse, mit denen die Auflösung des Solaren Imperiums eingeleitet worden waren, sagten ihnen nichts. Sie wussten allerdings, dass sie auf eine schwer zu beschreibende Art zu den Terranern gehörten, die dieses Chaos betroffen hatte, damals, im Juli, vor einhundertdreiundzwanzig Jahren. Die Station verfügte nur über Informationen, die auf dem Funkweg oder über Kuriere eingetroffen waren. Terra und Luna waren mit ihren Bewohnern durch den Sol-Transmitter aus der Milchstraße geflohen. Julian Tifflor und Atlan – Namen, die seltsam bekannt schienen und dennoch kaum etwas an tieferer Bedeutung für die sieben Persönlichkeiten hatten – hatten zu retten versucht, was in der Milchstraße nicht zerfallen war. Wahre Wunderdinge schienen von der USO vollbracht worden zu sein, aber die neuen Herrscher und ihre Helfer, die Überschweren, besaßen die Machtmittel, um das Solare Imperium und dessen Reste niederzuhalten. Die Mächte des Konzils traten ungehindert als Eroberer auf.
Wirtschaft, Raumfahrt und Handelsbeziehungen waren innerhalb kürzester Zeit zusammengebrochen.
Die Besatzungsmitglieder der Station hatten SI-RS-290 nach und nach verlassen. Sie hatten keinen Sinn mehr in ihrer Anwesenheit gesehen. Die Datenspeicher enthielten nur die Startmeldungen der Beiboote, nicht die anvisierten Ziele.
»Befindet sich noch ein Raumfahrzeug in einem Hangar der Station?«, wollte Pynther Äslinnen wissen.
»Negativ!«, lautete die Antwort.
Äslinnen nickte. Es wäre verrückt gewesen, das Gegenteil anzunehmen. Sie waren nicht nur Gefangene in einem Körper, sondern zugleich Gefangene der Relaisstation.
Der ausgedruckte Text beschäftigte sich weiterhin mit den politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit den Blues und kam zu dem bedauerlichen Schluss, dass auch ihre Völker von den Laren und den Überschweren versklavt wurden. Die Bankrotterklärung des Solaren Imperiums lag vor, als Äslinnen die letzten Zeilen las und danach die Folie zusammenknüllte
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