Silberband 101 - Eiswind der Zeit
überzeugen. Also zog ihn der Jäger mit sich entlang des weitgehend leeren Streifens rund um die Siedlung. Noch waren die Insektenschwärme nicht wieder da, nur Schlangen, jagende Echsen und die winzigen Fleischfresser.
»Ich lasse dich nicht tot zurück, sondern schleppe dich durch den Zaun zurück«, versicherte der Jäger sarkastisch.
Wo die ausgeglühte und giftige Geröllfläche in den kargen Planetenboden überging, bewegten sich plötzlich die kleinen Steine. Krebsartige Tiere, phosphoreszierend bleich im Licht der Tiefstrahler, krochen wieselflink hervor. Wieder eine neue biologische Waffe, durchzuckte es den Jäger. Er hatte diese Tierart noch nie gesehen.
»Es geht los – es wird hell!«
Vom Waldrand her ertönten kläffende Laute. Im ersten Grau des Morgens sahen Cherkel und Borl Rudel grauer, gelb gestreifter Tiere heranhetzen.
»Auf alles, was sich bewegt, ununterbrochen gezielt feuern!«, kommandierte Hytawath. »Und zurück zum Tor!«
Die krebsartigen Tiere kamen schnell näher, krabbelten übereinander, behinderten sich gegenseitig, versuchten, die Männer zu umkreisen. Hytawath Borl und Trubohn Cherkel standen Rücken an Rücken und schossen auf die schakalartigen Raubtiere. Der Jäger wusste um die Gefährlichkeit dieser jagenden Bestien, deren Heimtücke sogar Rrussus Leute in Angst versetzte.
Die Tiere starben schnell. Aber andere drängten sich durch die Lücken, und die zuckende, geifernde Lawine drängte unaufhaltsam näher.
In diesen Sekunden bewies Cherkel, dass er tatsächlich ein kaltblütiger Kämpfer war. Er ließ die flinken Räuber nicht näher als bis auf dreißig Meter heran.
Und Borl feuerte wieder auf die Krebstiere rund um Cherkels Füße. Sie lösten sich explodierend auf, ihre großen Scheren krümmten sich und hatten doch keine Kraft mehr. Hytawath Borl zerrte Cherkel weiter auf das Tor zu.
Ein Stoßkeil von mindestens hundert Raubtieren jagte heran. Ununterbrochen schossen die Männer – es war ihre einzige Möglichkeit, den Raubtieren zu entkommen.
Heere von Krebsen brachen mittlerweile aus dem Boden hervor. Cherkel rannte los, als sie sich schon in seinen Stiefeln festbissen, und Hytawath Borl zog sich hinter ihm Schritt um Schritt zurück, bis er bemerkte, dass die Krebse ihn eingekreist hatten. Tausende von ihnen bildeten einen Kreisring, in dessen Zentrum aber noch eine Fläche von rund einem Meter Durchmesser frei blieb: der Platz, auf dem Borl stand.
Inzwischen waren die Wachtposten aufmerksam geworden. Scheinwerferfinger griffen nach Cherkel und mischten sich mit den ersten Sonnenstrahlen. Die Posten feuerten durch den Zaun. Borl ging schneller weiter, die Krebse wichen vor ihm zurück. Unbehelligt schloss er zu Cherkel auf. Die beiden hasteten über die Planke und durch den Zaun zurück.
Hytawath Borl wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Hast du es jetzt begriffen, Trubohn?«, fragte er. Ringsum standen mittlerweile mehrere Dutzend Wachen.
»Ich glaube, ich habe verstanden«, murmelte Cherkel. »Du bist der Einzige, der sich draußen frei bewegen kann.«
»Bald wird sich Borl völlig frei fühlen können«, sagte jemand. Der Jäger fuhr herum und packte den Sprecher am Arm.
»Wie meinst du das?«
»Welz hat dafür gesorgt, dass dich alle für einen Planetenfreund halten. Jeder ist misstrauisch. Und weil keiner sonst kann, was du kannst, hassen sie dich.«
»Welz hat zu einer Kundgebung aufgerufen«, betonte ein anderer. »Schon in den nächsten Stunden.«
Gefährlich leise erkundigte sich Hytawath Borl: »Welz will also euch allen beibringen, dass ich Koyle-City verraten habe, weil ich meine Immunität dazu benutze, euch alle zu ernähren? Ich glaube, ich gehe hinauf und schlage ihm die Zähne ein.«
»Das wird keine Lösung sein. Die Entwicklung ist schon zu weit fortgeschritten.«
Als Außenseiter vermochte sich Hytawath gerade noch zu sehen, aber dass er ein Verräter sein sollte … Bitterkeit und Wut drohten ihn zu ersticken. Er wandte sich wortlos ab und ging auf die Rampe zu.
Trubohn Cherkel blickte ihm schweigend nach. Er biss auf seine Unterlippe und wusste, dass er mit Sicherheit nicht mehr auf Borls Entgegenkommen rechnen konnte. Er war der Verlierer dieses Tages.
Er war es gewohnt, allein zu sein. Die Tage draußen im Dschungel hatten ihn gelehrt, die Stunden sinnvoll zu verbringen. Er langweilte sich nie. Jetzt aber, in der Stille seines improvisierten Wohnraums, empfand er zum ersten Mal das Alleinsein als Last, als
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