Silberband 110 - Armada der Orbiter
Nutzen ziehen, denn er mied die Kulturlandschaften rund um die Lebensbereiche der Menschen, in denen Pflanzen für ihre Ernährung angebaut wurden. Ebenso wenig nützte ihm die Entdeckung, dass die Eingeborenen gewisse Tierarten züchteten, die den Großteil ihres Nahrungsbedarfs deckten.
Sein Revier war die Wildnis abseits des menschlichen Lebensraums. Er musste Pflanzen oder deren Früchte einer zeitraubenden Analyse mit dem dritten Kettenglied unterziehen, bevor er sicher sein konnte, dass sie für ihn genießbar waren.
Dreißigste Rotation
Plekeehr beschloss, ein Wagnis einzugehen.
Über zwei Helligkeitsperioden hinweg hatte er eine relativ kleine Wohngemeinschaft beobachtet. Nun glaubte er, genug über die Eigenarten der Eingeborenen zu wissen, um einen Vorstoß in ihren Lebensbereich wagen zu können.
Einige Gebäude wurden von allen möglichen Personen frequentiert. Besonders interessant fand er es, dass die Menschen diese Gebäude mit leeren Händen betraten, sie jedoch zumeist voll beladen wieder verließen. Er nannte diese Örtlichkeiten Verteilerstellen und merkte sie sich gut. Eines dieser Gebäude hatte es ihm besonders angetan, als er entdeckte, dass Eingeborene, die es betraten, in der Regel in anderer Kleidung herauskamen. Das erinnerte ihn daran, dass er noch den verräterischen Anzug trug, durch den er sich vor allem von den Menschen unterschied. Er war sicher, dass er in der Tracht der Einheimischen kaum auffallen würde.
Sein größter Nachteil war jedoch, dass er die Sprache der Menschen nicht verstand. Wozu verfügte er über das sechste Glied der Gerätekette, das dem Zweck diente, fremde Sprachen zu erlernen, wenn er es nicht nützte? Aber das Erlernen der menschlichen Sprache setzte wiederum voraus, dass er sich unter die Menschen mischte. Das konnte er nur, wenn er seine Kleidung der ihren anglich.
Bei Einbruch der Dunkelheit begab er sich zu der Gebäudeansammlung. Er benutzte dabei nur die weniger frequentierten Wege. Dennoch kam es zu einigen Begegnungen, die aber ohne Komplikationen verliefen. Das stärkte seine Selbstsicherheit. Es machte ihm bald nichts mehr aus, dass die Menschen ihm seltsame Blicke zuwarfen und ihn mitunter sogar ansprachen.
Dennoch war er froh, als er die Verteilerstelle für Bekleidung erreichte. Er zögerte nicht einzutreten.
Außer ihm befand sich kein anderes Wesen hier. An den Wänden reihten sich matt leuchtende Holoschirme, von denen gelegentlich einer erhellt wurde und die Projektion eines Fantasiekostüms zeigte. Von irgendwoher erklangen seltsam monotone Laute, die überraschenderweise nicht ohne Wirkung auf ihn blieben. Eine Weile stand Plekeehr da und lauschte, dann wurde die Geräuschfolge von einer plärrenden Stimme übertönt. Er fühlte sich angesprochen und zuckte schuldbewusst zusammen. Hatte er sich falsch verhalten? Würden nun Aufseher kommen und seine Identifikation verlangen?
Er ging schnell zu einem der Monitore. Kaum stand er davor, zeigte der Schirm ein dreiteiliges Gewand, das aus einem engen Beinkleid, einem Oberteil und einer etwas sinnlos anmutenden Kopfbedeckung bestand. Plekeehr glaubte, die Situation zu erfassen, als er die Lichttastatur unter dem Schirm entdeckte. Um nicht weiter aufzufallen und nicht wieder einen unverständlichen Befehl der Lautsprecherstimme über sich ergehen lassen zu müssen, berührte er einige der Tasten.
Ein hallender Laut ließ ihn zusammenfahren. Gleich darauf öffnete sich in der Wand neben dem Monitor ein Spalt. Dahinter lag ein schmaler Raum – und darin hing das dreiteilige Kleidungsstück, das er gesehen hatte.
Er betrat die Kammer, die Öffnung schloss sich hinter ihm. Panik erfasste ihn, und er wollte im ersten Moment aus dem vermeintlichen Gefängnis ausbrechen. Aber dann sagte er sich, dass, wenn man ihn schon entlarvt hatte, er vorher noch die Kleidung wechseln konnte.
Er schlüpfte aus seinem Anzug, streifte zuerst das etwas zu enge Beinkleid und dann das Oberteil über und setzte die Kopfbedeckung auf. Er raffte seinen eigenen Anzug zusammen und hängte sich die Gerätekette um den Hals.
Damit war er für den Ausbruch bereit. Als er sich jedoch der verschlossenen Wand widmete, öffnete sie sich auf wundersame Weise. Er konnte es kaum fassen, dass er so leicht wieder freigelassen wurde. Machte das die Kleidung aus? Sah er darin vollends wie ein Mensch aus – und hatte er die Automatik der Verteilerstelle überlistet?
Plekeehr lief, seinen Anzug als Bündel
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