Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
sondern um sich den Fragenkomplex in Erinnerung zu rufen.
Er kannte nun die Geschichte der Läander – die Prähistoriker hatten sie mangels eines anderen Namens Prä-Zwotter genannt – so gut wie Tekener und seine Frau. Er wusste über die Petronier Bescheid, die für die Läander den Staubmantel geschaffen hatten, in den sie bei ihrer Vergeistigung eingegangen waren. Die Kosmischen Ingenieure hatten bei diesem Ereignis nur eine Statistenrolle innegehabt. Aber die Petronier verdankten ihren Einfluss auf die galaktischen Völker jener Epoche dem Umstand, dass Fremde in die Milchstraße eingefallen waren. Diese wilden Horden hatten durch ihr schreckliches Treiben erst das Verlangen nach Bewaffnung und Aufrüstung zur Verteidigung geweckt und so für die Blütezeit der Petronier gesorgt.
Aber darum ging es Tifflor eigentlich nicht. Für ihn waren die Petronier nur Randfiguren, die Horden dagegen eine Schicksal bestimmende Macht. Er hatte darüber nachgedacht, ob die Läander wegen dieser Bedrohung von der »unbekannten Macht« den Auftrag erhalten hatten, mit ihrem Geist ein kosmisches Leuchtfeuer zu entzünden.
Nun brannte diese psionische Fackel, der Margor-Schwall, und durchdrang die Galaxis. Aber die Horden waren schon zur Zeit der Ersten Menschheit vor fünfzigtausend Jahren aus der Milchstraße wieder verschwunden gewesen.
»Ich habe NATHAN gefragt, welchen Zweck der Margor-Schwall heute noch erfüllen könnte«, fuhr der Erste Terraner fort. »Und welche Macht die Läander vor so langer Zeit zu seiner Aktivierung animiert haben könnte. Und dann ist da noch die Frage, wer eigentlich auf diese Weise gerufen werden sollte. ES? Eine andere Superintelligenz? Oder eine Macht, die uns bislang gänzlich unbekannt ist? Ich will Sie nicht unnötig auf die Folter spannen, denn NATHANS Antwort ist das nicht wert. Der lunare Rechner konnte zu keiner befriedigenden Antwort kommen. Er stellte eine Hochrechnung auf, die aus undenklich vielen Wahrscheinlichkeiten besteht. Ich bin also nicht klüger als zuvor.«
»Das Rätsel bleibt also«, sagte Jennifer Thyron gedankenverloren. Sie empfand es als unbefriedigend, dass nach dem erfolgreichen Abschluss des Unternehmens der Prä-Zwotter, das vor Hunderttausenden von Jahren begonnen worden war, der Sinn des Ganzen weiterhin unklar blieb.
Noch unbefriedigender war es, dass keine Aussicht bestand, dass das Rätsel jemals überhaupt zur Gänze geklärt werden würde.
Julian Tifflor würde in dieser Richtung vermutlich nichts unternehmen. Die LFT hatte andere Probleme, die entscheidender für die Milchstraße waren.
24.
»Wie viele Pseudo-Flibustier haben wir jetzt?«, fragte Julian Tifflor.
»Einunddreißig«, antwortete Pinter Bloom, ein noch sehr junger Mann, der es übernommen hatte, sich um die seltsamen Gefangenen zu kümmern. »Wollen Sie die Verteilung hören?«
»Danke, ich verzichte.« Der Erste Terraner seufzte. »Noch vor wenigen Wochen hätte ich viel dafür gegeben, dieses Mordgesindel endlich auf einem Fleck versammelt zu sehen, noch dazu gefangen und unschädlich. Aber inzwischen – es ist zum Verzweifeln.«
»Vor allem, weil alle mindestens in doppelter Ausführung vorhanden sind.« Bloom stimmte eifrig zu. »Kayna Schatten haben wir jetzt siebenmal. Wohin soll das führen?«
»Das wüsste ich ebenfalls gern«, murmelte Tifflor. »Was reden unsere doppelten und dreifachen Freunde den ganzen Tag über?«
»Außer nichtssagenden Bemerkungen geben sie wenig von sich.«
»Wenn wir zum Beispiel alle sieben Kaynas zusammensperren, müssten sie sich eigentlich irgendwann auf die Nerven gehen. Meinen Sie nicht, dass es den Versuch lohnen würde? Nichts löst die Zunge so leicht und gründlich wie Ärger auf unerträgliche Zeitgenossen.«
»Alkohol taugt dazu auch ganz gut«, bemerkte Pinter Bloom trocken. »Ich habe beides versucht, aber nichts hat geholfen. Sie werden anordnen müssen, dass schärfere Mittel eingesetzt werden.«
Tifflor sah den jungen Mann nachdenklich an. »Wir werden es auch so schaffen. Ich fürchte sogar, dass wir bei diesen Leuten mit Gewalt erst recht nichts ausrichten. Die sind glänzend für ihre Aufgabe präpariert.«
Gleichzeitig fragte er sich, wie diese Aufgabe aussehen mochte. Was wollten diese Wesen, die keine Menschen waren, auch wenn sie noch so menschlich aussahen?
Widersprüche, sinnierte Tifflor. Nichts als Widersprüche.
Dass es sich bei den Doppelgängern nicht um Menschen handelte, ließ sich mit den
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