Silberband 115 - Kämpfer für Garbesch
spöttisch. Sie saß an dem großen Fenster, von dem aus der Blick nach Südwesten über das üppige Grün der Insel und die silbrige Benda-See ging. Lyrta fühlte sich wohl in der großzügig eingerichteten Unterkunft. Trotzdem machte sie sich nichts vor: Sie hing an ihrem Posten nicht nur wegen der an sie gestellten Anforderungen, sondern ebenso wegen der Privilegien, die er mit sich brachte.
In diesem Moment fasste sie den Entschluss, sich von Perpulan nicht länger drangsalieren zu lassen. Bislang hatte sie sich ihm gegenüber passiv verhalten, unerschüttert in ihrer Gewissheit, dass er ihr nichts anhaben könne. Nun würde sie selbst zum Angriff übergehen müssen.
»Sliver, komm her!«, sagte sie einfach in den Raum hinein, und der akustische Servo leitete die Anordnung weiter. »Ich muss etwas mit dir besprechen.«
Sliver Niktasch war mittelgroß, seine breiten Schultern und die stämmigen Beine ließen ihn jedoch kräftig erscheinen. Sliver war als Ebenbild des Flibustiers Axe entstanden und in die Rolle des persönlichen Adjutanten der Arbeitslenkerin hineingewachsen. Als er Lyrta Rufur gegenübertrat, verriet seine Miene ernste Besorgnis. »Ich habe von dem Unfall gehört«, sagte er.
»Das spricht sich schnell herum, wie?«, fragte Rufur.
»Jeder ist entsetzt.«
»Einer nicht!«, widersprach die Frau. »Und genau in diesem Zusammenhang erwarte ich deine Unterstützung. Du kennst den Zugang, durch den ich auf die Rampe hinausgelockt wurde?«
»Ja.«
»Nimm dir einige Helfer und baut die Wand rings um die Tür ab. Aber sorgsam! Ich nehme an, dass die Bestandteile der Hypnofalle dort versteckt sind. Sie dürfen nicht beschädigt werden.«
Niktasch war der Zweifel anzusehen. »Glaubst du wirklich, dass der Attentäter so dumm war, die Installationen einfach zurückzulassen?«
»Wenn er dadurch nicht belastet wird? Außerdem könnten ihn die Umstände dazu gezwungen haben. Woher hätte er die Zeit nehmen sollen, das Gerät zu entfernen?«
Niktasch hob die Schultern. »Du kannst natürlich recht haben, aber darauf vertrauen würde ich nicht.«
Er entfernte sich. Rufur warf einen Blick auf die Zeitanzeige. Die Sitzung des Arbeitsrats begann in wenigen Minuten, und sie musste noch Vorbereitungen treffen. Dazu kam sie allerdings nicht, denn ein dringendes Interstellargespräch wurde zu ihr durchgeschaltet.
Aus dem irisierenden Funkeln des entstehenden Hologramms manifestierte sich ein Gesicht, das Lyrta Rufur ungern sah. Es war das Konterfei eines Mannes mit ebenmäßigen Zügen, einer ausgeprägten, scharfen Nase und rotblonden Locken über der hohen Stirn - ein gut aussehendes Gesicht, in dem nur die kalten Augen störten.
»Grenor Targus von der SELOU-BAL.« Der Mann lächelte. »Aber ich bin sicher, du erkennst mich wieder.«
»Was verschafft mir das Missvergnügen deines Anrufs?«, konterte Rufur.
Targus lachte. »Ich bin im Anflug auf deine wunderschöne Welt. Mit zwei Gefangenen an Bord, die nach dem Wunsch der Zentralen Sicherheit auf Martappon von dir untersucht werden sollen.«
Wegen des Gesprächs mit der SELOU-BAL erschien Lyrta Rufur einige Minuten zu spät zur Konferenz. Die Mitglieder des Rates warteten schon ungeduldig.
Ror Perpulans Mimik verriet blanken Hohn. »Wir alle haben mit großer Erleichterung vernommen, dass du einer Bedrohung für Leib und Leben in letzter Sekunde entgangen bist«, sprudelte er hervor. »Wir fragen uns allerdings, wie viel Weisheit wir von einer Arbeitslenkerin erwarten sollen, die sich schon in der Tür irrt.«
Rufur blieb ruhig und gelassen. Ihr Widersacher würde sie bestimmt nicht verlegen oder gar zornig sehen. Sliver hatte also recht, ging es ihr durch den Kopf. Perpulan würde nicht so reden, wenn es noch einen Hinweis auf die Hypnofalle gäbe.
Ihr Blick schweifte in die Runde. »Er spricht von uns,« stellte sie fest. »Ich nehme an, ihr alle habt ihn damit beauftragt?«
Alisu Bragg, Leiterin der Koordination und Analyse, senkte den Blick. Stragor Lond, zuständig für Präparationstechnik und in diesem Kreis wohl der Einzige, der für Lyrta Rufur echte Zuneigung empfand, machte ein halb ärgerliches, halb bekümmertes Gesicht.
»Unsinn, wir haben Ror mit überhaupt nichts beauftragt.« Bredner Flagulor, dem die Raumfahrttechnik unterstand, schüttelte den Kopf, dass sein schlohweißes Haar flog.
Lächelnd wandte Lyrta sich dem gehässigen Spötter zu. »Du musst deine Formulierung also noch einmal überdenken.« Ihre Stimme wurde eine
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