Silberband 116 - Der Auserwählte
berührten und wieder auf ihren Füßen standen, sahen sie sich verwundert um.
Sie wussten beide nicht, was sie eigentlich erwartet hatten, eine komplizierte technische Steueranlage vielleicht, eine Rechnerzentrale mit elektronischen und positronischen Einrichtungen ...
Nichts von alledem.
»Das ist...« Mehr brachte Last nicht über die Lippen.
Jane sagte mit unfassbarer Gelassenheit: »Die Antwort auf unsere Fragen nach der Lösung, soweit sie die ultimate Integration der Bewusstseine von EDEN II betrifft. Wir beide sind übrig, ein Mann und eine Frau.«
Last nickte und schwieg.
Sie standen auf einer Lichtung inmitten einer künstlich geschaffenen I ,andschaft von unbeschreiblicher Schönheit. Ringsum wurde das Areal durch dichte Wälder begrenzt, die den wahren Horizont verdeckten.
Auf der Lichtung wuchsen kleine Bäume und Sträuchen Ein Bach plätscherte über blank geschliffene Steine hinweg. Vögel zwitscherten, und Insekten summten vorbei. Der Himmel war wolkenlos blau. Es war angenehm warm.
Last wandte sich nach dem Roboter um, aber die Maschine war verschwunden, als hätte es sie niemals gegeben. Er war mit Jane allein.
In diesem Augenblick hörten die beiden Konzepte eine lautlose Stimme in sich und erkannten, dass ES gekommen war, um sein Erbe anzutreten. Ihr Erbe, das sie nur für den Unsterblichen verwaltet hatten, zusammen mit zwanzig Milliarden menschlichen Bewusstseinen.
Es ist die Erde, die ihr seht, ein winziger Teil davon. Ich wollte, dass sich der letzte Akt der Vereinigung aller Konzepte hier vollzieht. Denn ich kann nur die vereinigten Bewusstseine in mich aufnehmen.
»Ist das unser Ende?«, fragte Last. »Was wird danach geschehen?«
Du willst es wissen? Du ebenfalls, Jane?
»Ja«, sagte die Frau fest und warf ihrem Begleiter einen Blick zu, der nicht zu ihrer bislang so überlegenen Haltung passen wollte.
Nun gut! Ich sagte es bereits zu Perry Rhodan, der auch für euch nur noch eine Legende ist. Ihr und die zwanzig Milliarden Bewusstseine werdet in mich aufgehen, sobald alle eins geworden sind. Ich werde dadurch zum stabilsten Zentrum einer Mächtigkeitsballung, das je existierte. Um das zu erreichen, war alles notwendig, was in der Vergangenheit geschah und oftmals sinnlos erschien. Aber nichts ist sinnlos in diesem Universum.
Last und Jane hätten noch viele Fragen zu stellen gehabt, doch sie ahnten, dass sie alles erfahren würden, sobald sie Teil des Unsterblichen waren.
Last nahm Jane bei der Hand. »Ich habe die Erde nie gesehen. Aber viele der Bewusstseine, die ich in mir vereinige, erinnern sich an Terra. Geht es dir auch so?«
»Ja, Last. So muss sie ausgesehen haben, unsere Heimat, von der wir nichts mehr wissen. Aber sie existiert noch, auch wenn sie sich verändert hat.«
Der Mann schaute über die Lichtung hinweg, auf der sich Gras und Zweige im lauen Wind sacht bewegten. Er glaubte etwas zu spüren, was er nie zuvor wahrgenommen hatte. War es die Wärme von Janes Hand?
»Komm, wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte er.
Die Frau hielt ihn zurück. »Als wir uns begegneten, wollte ich dich töten. Nun ist alles anders.«
Er lächelte. »Nach allem, was auf EDEN II geschah, sollte es eigentlich wie eine Erlösung klingen: Ich begehre dich, Jane.«
»Ich dich auch, Last. Ich wusste es vom ersten Augenblick an, und nur deshalb lebst du noch.«
Er streifte ihre leere Gürteltasche mit einem Blick, der Überraschung verriet. Dann zog er sie an sich. Beide wussten sie plötzlich, dass ihre Liebe auch ohne Körper fortbestehen würde, wenn sie erst einmal in ES aufgegangen waren.
Hell schien die Sonne vom blauen Himmel, und als sie jäh erlosch und die Landschaft sich in einen kahlen Raum verwandelte, waren die Körper der Konzepte verschwunden.
Die Energiekugel ES, die hoch über EDEN II im Nichts verharrte, gewann weiter an Helligkeit und Größe. Der Unsterbliche strahlte wie eine neue Sonne über der noch toten Landschaft von EDEN II.
Die letzte notwendige Vereinigung war vollzogen.
6.
Perry Rhodan hatte vor sich ein Sammelsurium von Gegenständen ausgebreitet, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam hatten. Es war ein eigenartiges Stillleben. Da lag eine urtümlich anmutende Keule neben einem Zellaktivator und einer eng beschriebenen Folie, die ein bewegender Abschiedsbrief war. Dazwischen stand eine verbeulte Kaffeekanne.
Zu diesem Stillleben gehörte außerdem ein seltsames Vehikel. Es hatte einen Sitz, der gerade einem Kinderkörper Platz bot, und
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