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Silberfieber

Silberfieber

Titel: Silberfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wuehrmann
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Leiter hinauf und schleppten das restliche Werkzeug heran. Es war hell geworden, ohne dass sie es während ihrer Arbeit am Schachtboden mitbekommen hatten. Wavy Island war wahrhaftig keine landschaftliche Schönheit. Der Großteil der Insel bestand aus kahlen Steinhügeln, die nicht anders aussahen als die Grabungsstelle selbst. McCully hatte nicht übertrieben. Die Insel war durch die Grabungen völlig zerlöchert. Das verstreute Felsgestein sammelte sich auf Halden, die in unregelmäßigen Abständen bis zum Ufer die Aussicht auf den Ozean versperrten. Die Cruden Bay mit ihren kurzen Sandstränden war im Gegensatz zu Wavy Island fast schon eine Attraktion. Dort gab es wenigstens spärlichen Baumbewuchs, ein paar kleine windschiefe Kiefern, und in Richtung des Meeres ein wenig Grün, das von dem bisschen Gras und Moos auf den höher gelegenen Klippen herrührte. Wo Wavy Island im Ebbeschlick der Fundy Bay versank, schimmerte es weiß vom Salz der Marschen. Möwengeschrei klang zu ihnen herüber, dazwischen ein entferntes Motorengeräusch. Frank vermutete ein Motorboot und blickte auf. Dann sah er die dunkelbraune verlassene Schlickebene in der Bucht, die sich bis zum Horizont erstreckte. Ein Boot konnte es also nicht gewesen sein, ein weit entferntes Flugzeug dagegen schon.
    Gegen zehn Uhr hatten sich Morgendunst und Nebel endgültig verzogen. Vereinzelt brach die Sonne durch die Wolken, und dort, wo sie es schaffte, malte sie helle Flecken auf den Morast. Der Nebel würde wohl nicht zurückkommen, aber mit einem schönen Sonnentag konnten sie auch nicht rechnen. Am nördlichen Himmel über dem Festland von Nova Scotia waren Regenwolken zu sehen.
    Franks Skepsis war beim Anblick der gewaltigen Meeresbucht mit dem in der Ferne nur zu erahnenden nordamerikanischen Kontinent wie weggeblasen.
    Es war, als hätte sich der letzte Vorhang zu einer Vorstellung geöffnet, in der sie selbst die Hauptdarsteller waren. Der überwältigende Eindruck der Landschaft und ihr simples Vorgehen, mit Schaufeln und Spaten auf Schatzsuche zu gehen, schien ein Scheitern unmöglich zu machen.

47
    Der Vormittag verging schnell bei der Arbeit unter einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Keiner von ihnen wagte vorauszusagen, ob ihre Ausdauer und ihre Ausrüstung ausreichen würden, um den Silberschatz der Santa Cartagena auf der mit Geröll übersäten Insel aufzuspüren. Für den Abstieg in den Schacht hatten sie einzig und allein die beiden Aluminiumleitern. In voll ausgefahrenem Zustand waren sie so lang, dass sie gerade vom Schachtboden bis zum Grubenrand reichten. Sie machten sich lieber keine Gedanken darüber, wie sie in das Innere des Schachtes hinabsteigen konnten, falls sie gezwungen sein sollten, bedeutend tiefer zu graben. Die Leitern wären dann zu kurz, um wieder nach oben zu gelangen.
    Mit weit ausholenden Hieben trieben sie ihre Spitzhacken in die Holzbohlen. Das Holz war nicht sonderlich morsch. Es konnte wohl kaum beim Bau eines Piratenschiffes aus dem 18. Jahrhundert verwendet worden sein. Andererseits war es auch nicht hart genug, um ihrer schwungvollen Hackerei besonderen Widerstand zu bieten. Zügig lösten sie eine Holzplanke nach der anderen. Bereits nach einer halben Stunde emsiger Arbeit stand die gesamte Holzplattform, die vorher den Schachtboden bedeckt hatte, Kantholz neben Kantholz, senkrecht an die Schachtwände gelehnt.
    »Es ist alles so wie bei der ersten Grabung«, sagte Kenneth McCully und wischte sich schnaufend mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Trotz des kühlen Spätnovembertages standen sie in Unterhemd und T-Shirt herum, während sie das Ergebnis ihrer Anstrengungen betrachteten. Unter der alten Schicht war eine weitere Schicht gleichartiger Holzbohlen zum Vorschein gekommen. Frank wollte gerade darüber spekulieren, wie viele Holzschichten sie noch freilegen würden, bevor die Sonne untergehen würde, aber McCully und Peter waren schon wieder abgetaucht und rutschten auf den Knien an der Nische zwischen Holzbohlen und Schachtwänden entlang. Sie drückten ihre Nasen in jede Ecke und in jeden Erker auf der Suche nach einer Ritze, in der sie ihr Werkzeug ansetzen konnten. Kenneth McCully war nicht wiederzuerkennen. Seine gelassene und freundliche Art war einer angespannten Hochstimmung gewichen: Das Schatzfieber hatte ihn im Griff. Ungeduldig warf er mit Holzspänen und Abbruchmaterial um sich, um möglichst rasch voranzukommen.
    »Hier ist was. Auf dieser Seite. Frank, Peter, sehen Sie

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