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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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so dass sein Ohr beinahe das
     Holz berührte.
    »Frau Potulski«, rief er, schlug mit der Hand dagegen, mit der flachen Hand gegen das Türblatt.
    »Ich kriege sie auf«, er hörte ihren wütenden Atem, »ich kriege sie auf, egal, wie lange es dauert.«
    »Sie machen die Tür kaputt«, sie antwortete nicht, er hörte nichts als Metall, Metall, das abglitt. »Na warte«, sagte er leise,
     »na warte.«
    Er drehte den Schlüssel, lehnte sich mit seinem Gewicht gegen die Tür, drückte sie mit seiner ganzen Kraft |160| auf. Hoffte, sie würde direkt dahinter stehen, wollte sie ihr ins Gesicht schlagen. Die Tür ließ sich widerstandslos öffnen,
     er stolperte vorwärts, stolperte ins Wohnzimmer. Ein verbogener Tortenheber, WMF-Fächerdesign, lag auf den Dielen. Sie hatte
     versucht, ihn als Brechstange zu benutzen.
    »Den werden Sie bezahlen«, er bückte sich, hob den Tortenheber auf, wischte ihn an seinem Pullover ab, rieb die fettigen Spuren
     ihrer Finger weg. Schweigend sah sie zu, wie er versuchte, den Griff zurückzubiegen, ihn zwischen die Knie klemmte, vergebens.
     Er legte den Heber ins Sideboard zurück, vorsichtig neben den Sahnelöffel. »Den werden Sie bezahlen«, er schob die Schublade
     wieder zu.
    »Schlüssel«, sie streckte die Hand aus, Handfläche nach oben, hielt sie vor ihn, wartete. Er sah an ihr vorbei, der Schlüssel
     steckte noch in der Tür. Sie war seinem Blick gefolgt, ging mit entschlossenen Schritten hin und zog ihn ab. Zeigte mit ausgestrecktem
     Arm in den Flur, »raus«, sagte sie.
    Sie knallte die Tür hinter ihm zu, er ging zur Haustür, nahm den Schlüssel vom Schlüsselbrett und schloss zwei Mal ab. Den
     Schlüssel steckte er in die Hosentasche, machte kurz das Licht an, nahm den Zweitschlüssel und ließ ihn ebenfalls in die Tasche
     gleiten. Fühlte, wie das Gewicht seine Hose ein wenig nach unten zog, als er in die Dunkelkammer ging. Er entwickelte den
     Film, nach einer Weile schaute er in den dunklen Flur. Kein Lichtstreifen unter der Wohnzimmertür, sie schlief.
    |161| Die Bürste war gut zu erkennen, sogar die Inschrift konnte er lesen. Ebenso die Etiketten der T-Shirts, der Unterhose,
L
stand dort. Er war zufrieden, überlegte, wo er die Bilder aufhängen sollte, ohne dass sie sie sehen, abnehmen, zerreißen würde.
    Er löste die Knoten, mit denen er die Wäscheleine an den Haken rechts und links des Küchenfensters befestigt hatte, wickelte
     sie auf und brachte sie ins Schlafzimmer.
    Vielleicht würde ihr auffallen, dass die Leine fehlte, ich brauche die Leine gerade nicht, hörte er sich sagen. Er nickte
     zufrieden. Ihretwegen kann ich nicht fotografieren, darum habe ich sie abgenommen, er formte die Worte stumm mit den Lippen,
     es klang plausibel.
    Er spannte die Leine zwischen Fenstergriff und der Lehne des Wäschestuhls, holte die Abzüge, hängte einen nach dem anderen
     auf, er war zufrieden.
    Die beiden Schlüsselbunde legte er unter das Kopfkissen, überlegte, ob er erneut aufstehen und auch die Zimmertür abschließen
     sollte. Er ließ es bleiben. Die Vorhänge waren noch offen, reglos lag er im Dunklen, die Hände auf dem Bauch gefaltet, und
     sah dem Schnee zu. Winzig kleine Flocken, im Wind wirbelnd, schnell kreiselnde Mücken, die lautlos an die Scheibe stießen.

[ Menü ]
    |163| 16.
    Er ging in die Küche, sie stand am Fenster, sah hinaus. Sie hatte braune Löckchen, das ist falsch, dachte er, Jana Potulski
     hat keine Locken. Die Kammertür war geschlossen. »Nein«, sagte sie, als er die Hand nach der Tür ausstreckte.
    »Was ist in der Kammer?«
    »Hermann«, antwortete sie. »Ich habe ihn eingepackt«, sagte sie, »das Fenster aufgemacht, er wird nicht riechen.«
    »Gut«, sagte er, »gut.«
    An mehr konnte er sich nicht erinnern, nach dem Aufwachen lag er lange still.
    Sie klopfte an die Tür, »halb neun«, rief sie, reglos hörte er zu, wie sich ihre Schritte entfernten. Es war kalt im Schlafzimmer,
     er zog den Bademantel über, ging zum Fenster und drehte die Heizung auf. Er hatte vergessen, die Vorhänge zuzuziehen, der
     Himmel war blau, er konnte die blasse Sonne hinter der Häuserreihe auf der anderen Straßenseite erahnen. Er nahm die Bilder
     von der Leine, legte sie vorsichtig aufeinander, er würde sie in der Nachttischschublade aufbewahren, die ließ sich abschließen.
     Er knotete die Leine los, wickelte sie auf, Frau Potulski war in der Küche, er hörte Geschirr klirren.
    |164| Beim Abtrocknen entdeckte er einen Fleck auf seinem

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