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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Unterarm, ein Hämatom, dunkelviolett, fast schwarz sah er im Spiegel aus.
     Livores, musste er denken, das war Unsinn, sein Körper würde das ausgetretene Blut abtransportieren, den Schaden reparieren.
     Er schaltete das Licht an, betrachtete ihn genauer, der Fleck hatte die Größe und Form eines Hühnereis, auf der einen Seite
     waren helle Punkte im Dunklen. Er strich behutsam mit dem Finger über ihn, der Fleck war etwas erhaben. Es tat nicht weh,
     zog leicht, so, als wäre ein wenig mehr Druck sehr schmerzhaft.
    Er stellte seinen Kulturbeutel ins Regal neben ihren.
    Der Tisch war nicht gedeckt, »wird doch nur alles kalt«, sagte sie, als er in die Küche kam. Die Haustür hatte er wieder abgeschlossen,
     nachdem er die Zeitung hereingeholt hatte. Die Schlüssel gut verwahrt in seiner Hosentasche.
    »Ich mache Schnitzel, wir brauchen Fleisch«, mit flinken Händen richtete sie den Aufschnitt an. »Eier auch«, fügte sie hinzu.
    Er setzte sich und sah zu, wie sie den Tisch deckte.
    »Und Fallen, für die Tierchen im Bad«, sie nahm ein Blatt Papier von der Arbeitsplatte und reichte es ihm. Musste es aus dem
     Sideboard genommen haben, dort bewahrte er seinen Briefblock auf. Hatte es genommen, ohne zu fragen.
    »Fallen ist falsch geschrieben«, er hielt ihr das Blatt hin, »mit doppeltem l«, sagte er. Sie goss dampfendes Wasser in die
     Teekanne und sah nicht auf.
     
    |165| Er steckte beide Schlüsselbunde zu dem Zettel in die Manteltasche, im Supermarkt konnte sie jederzeit weglaufen, einen Aufruhr
     veranstalten, es war sicherer, er ließ sie zu Hause.
    »Machen Sie kein Theater«, er legte den Zeigefinger auf die Lippen, »leise, solange ich weg bin«, flüsterte er.
    Ihr Blick war seiner Hand mit den Schlüsseln gefolgt.
    »Und wenn es brennt?«
    »Es brennt nicht«, er lächelte ihr zu, aufmunternd sollte es sein, entschied, nicht zu versuchen, sie zum Abschied auf die
     Wange zu küssen, »bis gleich«, sagte er.
     
    Als er wieder in seine Straße bog, sah er hinauf zur Wohnung, das Licht in der Küche brannte, es sah freundlich aus. Warm.
    Die Tür verschlossen, nichts, was auf den Versuch, sie mit Gewalt zu öffnen, hindeutete. Er legte sein Ohr gegen das Holz,
     meinte, ihre Stimme zu hören, aber sicher war er nicht. Vorsichtig schob er den Schlüssel in das Schloss, drehte ihn langsam,
     behutsam drückte er die Tür auf. Er hörte ihre Stimme, gedämpft und hastig, er verstand nichts. Es klackte, das Geräusch von
     hartem Plastik auf hartem Plastik, der Telefonhörer, sie hatte telefoniert, hatte ihn zurück auf die Gabel gelegt. Er lief
     durch den Flur, seine Schuhe polterten auf den Dielen, das war gleichgültig, sie hatte ihn kommen hören, hatte rasch aufgelegt.
     Sie stand neben der Couch.
    »Was tun Sie?«, er war außer Atem, hatte Seitenstechen, er beugte sich nach vorn.
    »Bügeln«, sie deutete auf das Bügelbrett, es stand mitten im Wohnzimmer, die Wäsche lag auf dem Esstisch. |166| Das Bügeleisen war eingeschaltet, es glühte rot. Er ging an ihr vorbei, berührte den Telefonhörer mit den Fingerspitzen. »Er
     ist warm«, stellte er fest, »handwarm.«
    »Warum essen wir nicht hier?«, sie zeigte auf den Esstisch.
    »Küche ist praktischer. Handwarm«, wiederholte er. »Und wenn ich telefoniert habe?«
    Sie nahm eines seiner Hemden von dem Haufen und legte es mit Schwung auf das Bügelbrett.
    »Sprühflasche?« Erst verstand er nicht, »ich habe keine«, sagte er, »es ist Ihnen verboten, das Telefon zu benutzen.«
    Sie tauchte ihre Fingerspitzen in ein Schälchen mit Wasser und besprenkelte das Hemd.
    »Verboten, Frau Potulski«, wiederholte er.
    »Den Einkauf in die Küche«, sie deutete auf die Tüte in seiner Hand, »das Fleisch nicht in den Kühlschrank, ich brauche es
     gleich.«
     
    Er schloss die Augen, Bach, eine der zahllosen Orgelsonaten. Lauschte dem Geräusch, mit dem sie das Bügeleisen absetzte, dem
     leisen Rauschen des Stoffs, wenn sie ihn über das Brett schwang.
    Er schrak hoch. Er saß in seinem Sessel, das Radio war ausgeschaltet, das Deckenlicht brannte. Wieder krachte es, ein metallisches
     Klappern folgte, er stemmte sich hoch. Er schlief viel in letzter Zeit, viel tagsüber.
    Das Fleisch lag auf einem Holzbrett, Frau Potulski hatte die Lippen vor Anstrengung zusammengepresst. Die Töpfe im Schrank
     unter der Arbeitsplatte klapperten metallisch aufeinander, bei jedem Schlag, den |167| sie dem Fleisch versetzte. Er sah zu, wie sie den Griff vor jeder

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