Silberfischchen
Fleischklopfer, das Tranchierbesteck aus dem Sideboard,
die Brotsäge, brachte sie ins Schlafzimmer, legte sie auf den Stuhl und schloss das Zimmer ab. Die Putzmittel ließ er stehen,
er durfte nichts essen, was sie zubereitet hatte, nichts trinken, was sie in den Händen gehabt hatte.
»Seien Sie friedlich«, sagte er und versuchte, seine Stimme möglichst drohend klingen zu lassen, »ich lasse Sie jetzt raus,
aber Sie sind friedlich.«
Er drehte den Schlüssel, zog den Hebel zurück, die Tür sprang auf, Jana Potulski stand direkt dahinter.
»Mein Arm tut weh.«
Ihr Arm war nicht geschwollen.
»Können Sie die Finger bewegen?«
Sie starrte weiter auf ihren Unterarm, auf das Handgelenk.
»Finger bewegen«, wiederholte er.
|187| Sie gehorchte, ihre Hand schloss sich zur Faust und öffnete sich wieder. Plötzlich fühlte er sich erschöpft. Hätte sich gerne
an sie gelehnt, ihre Wärme gespürt. Seinen Kopf auf ihre Schulter gelegt, so dass er ihn nicht alleine tragen musste, seine
Augen geschlossen. Sie ging zur Spüle, drehte das Kaltwasser auf und ließ es über ihren Unterarm laufen, die Haut war gerötet.
Er legte die Regalbretter wieder auf die Winkel, sammelte die Flaschen vom Boden, die Schalen, es war erstaunlich wenig ausgelaufen.
Er war müde, fragte nicht, ob sie ins Bad gehen wollte, seine Arme zu schwer, um die Hände zu ihren Brüsten zu heben.
Er nahm die Kehrschaufel, fegte die Scherben auf, hörte die Toilettenspülung, sie eilte durch den Flur, zog leise die Wohnzimmertür
hinter sich zu, sagte nicht gute Nacht. Das Fotopapier war bis auf wenige Blätter intakt, auf einem, mittig, der Abdruck ihres
Fußes. Er beschloss, es zu behalten, trug es leise ins Schlafzimmer und tat es zu den Fotos von ihren Sachen.
Er schloss ab, zog den Stuhl zur Tür, die Lehne passte genau unter die Klinke. Er versuchte an ihr zu rütteln, sie bewegte
sich nicht, die Klinke war fest. Die Beutel hatten dicht gehalten, er nahm sie vorsichtig in die Hand. Schüttelte den Schnee
von seinem Ärmel, ehe er das Fenster wieder schloss, kein Laut aus dem Flur. Nahm den Fleischklopfer aus der Nachttischschublade
und legte ihn neben sich, unter die Bettdecke. Das sollte genügen, er konnte den Hammergriff an seinem Bein fühlen.
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|189| 18.
Es klingelte, klingelte an der Wohnungstür, nicht unten. Er richtete sich auf, der Klingelton war anders, die Müllabfuhr würde
unten klingeln, er konnte sich an keinen Aushang erinnern, kein Stromablesedienst, keine Handwerker. Ein Nachbar, ein Nachbar
konnte es sein. Wollte sich vielleicht über den Lärm der letzten Nacht beschweren. Kurz vor elf zeigte der Wecker, wütend
stieß er die Decke weg, trat sie mit den Füßen zum Bettende. Polternd fiel etwas auf die Dielen, er beugte sich vor, neben
dem Bett lag der Fleischklopfer. Frau Potulski hatte ihn nicht geweckt. Er schob die Füße in die Pantoffeln, seine Füße hielten
inne, sie war weg. Sie hatte ihn nicht geweckt, weil sie weg war, ihm wurde kalt. Die Haustür. Er hatte die Haustür abgeschlossen,
er hob das Kopfkissen, sie waren noch da, beide Schlüsselbunde glänzten metallisch auf dem Laken. Er atmete aus, lang und
mit einem Laut, der wie ein Seufzen klang, fühlte, wie sein Brustkorb sich senkte, seine Muskeln sich entspannten.
Es klingelte erneut, er konnte Frau Potulskis Stimme hören, sie sprach mit jemandem, einem Mann. Frau Potulski hatte versucht,
ihn zu töten, er musste auf der Hut sein. Sein Körper fühlte sich normal an, er fuhr sich über die Oberlippe, sie kribbelte
nicht. Er zog den |190| Bademantel über, konnte hören, wie sie versuchte, die Haustür zu öffnen, an der Klinke rüttelte.
»Hermann«, rief sie. Die Schlüssel lagen unter dem Kopfkissen, er versuchte, den Stuhl leise zur Seite zu schieben, so, dass
sie es im Flur nicht hören konnte.
»Hermann«, sie klang ungeduldig, die Stuhlbeine schrammten hölzern über die Dielen, er schloss die Schlafzimmertür auf. Sie
hatte beide Hände in die Hüften gestemmt, den Kopf schief gelegt, öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ihre Augen waren geschlossen.
»Ein Einschreiben«, der Mann klopfte laut an die Wohnungstür, »ein Einschreiben für Jana Potulska.«
Er schob sie beiseite, steckte den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn. Hell war es im Treppenhaus, heller als im Flur,
das Licht schmerzte in den Pupillen, er presste die Lider aufeinander. Als er sie wieder öffnete, hatte
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