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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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hereinkam.
    »Ich mache mich auf den Weg«, sie hielt ihm eine Tasse hin, Dampf stieg daraus auf. »Ich habe Ihnen Tee gemacht«, sagte sie.
    Er stieß die Tasse weg, er würde nichts zu sich nehmen, was sie in den Händen gehabt hatte. Der Tee schwappte auf ihr Handgelenk,
     sie zuckte zurück, auf ihre Jacke, sie stellte rasch die Tasse ab.
    »Passen Sie doch auf.« Sie rieb die verbrannten Stellen, »Hermann«, sagte sie, nahm die Tasche vom Boden auf, streckte ihm
     die rechte Hand entgegen. Wollte, dass er sie nahm und schüttelte, als wäre nichts gewesen. Er verschränkte die Hände hinter
     seinem Rücken.
    »Das Kind muss beerdigt werden«, ihre Stimme sanft, als müsste sie ihm gut zureden. Sie lächelte, die Mundwinkel |194| weit auseinandergezogen, die Lippen geöffnet, ihre Zähne sehr weiß. »Hermann«, sie lächelte noch immer, musterte sein Gesicht,
     beobachtete es genau.
    Was soll das, wollte er sagen, es war jedoch nur ein Lauthaufen, flach und rau, er räusperte sich. Sie können nicht gehen,
     hatte er sagen wollen, und was fällt Ihnen ein.
    Ihre Augen waren auf seine Brust gerichtet. »Und bedanken wollte ich mich«, sie sprach einfach weiter, »es ist nicht einfach,
     jemanden ganz Fremdes bei sich aufzunehmen«, sie hob die Hände, ihre unermüdlichen, gut gepolsterten Hände, hielt ihm die
     Handflächen hin, lächelte immer noch, die Tasche lehnte an ihrem Knöchel.
    »Nein«, er schüttelte den Kopf, »nein«, lachte auf ob ihrer Unverfrorenheit, »das geht nicht.«
    »Machen Sie es gut«, sagte sie.
    »Sie können nicht hier wohnen, sich anfassen lassen, mich töten, ohne eine Erklärung versuchen, mich zu töten, und dann einfach
     gehen.«
    Sie nahm die Tasche an den Henkeln, ging an ihm vorbei, ging in den Flur, zur Wohnungstür.
    »Abgeschlossen«, rief er hinter ihr her, fühlte das Gewicht des Schlüssels in seinem Bademantel, streckte den Rücken, reckte
     den Kopf, sie konnte nicht raus.
    Ungerührt ging sie weiter, griff in ihre Jackentasche, Metall stieß gegen Metall. Sie zog ein Schlüsselbund hervor, seine
     Zweitschlüssel.
    »Wo haben Sie die her?«
    Sie schob die Schlüssel auseinander, suchte den richtigen, »unter Ihrem Kopfkissen«, sie deutete mit dem Kopf |195| in Richtung Schlafzimmer. Er hatte vergessen, abzuschließen vor dem Zähneputzen, er ging in den Flur, sein Kissen lag vor
     dem Bett auf dem Fußboden. Sie hatte den richtigen gefunden, steckte ihn ins Schloss. Er hörte es zwei Mal klacken, rührte
     sich nicht, wollte den Mund öffnen, schreien vielleicht. Sie drückte die Klinke, kühle Luft aus dem Treppenhaus strich an
     ihm vorbei.
    »Hier«, sagte sie, hielt ihm die Schlüssel hin, als er sich nicht bewegte, hängte sie sie an das Brett. Wartete, hatte den
     Kopf schief gelegt, sah ihm ins Gesicht und wartete. Er hatte zu viel Luft in den Lungen, als hätte er vergessen auszuatmen.
     Als hätte er einen Ballon im Brustkorb, der von innen gegen die Rippen drückte, der jeden Augenblick platzen würde.
    »Wir sind noch nicht fertig!« Der Druck entwich zahnwärts, er trat einen Schritt vor, auf sie zu. »Nein«, er konnte fühlen,
     dass er den Kopf schüttelte, »das geht nicht«, seine Stimme hallte lauter, als er erwartet hätte in der Leere des Treppenhauses.
     »Das geht nicht, wir sind noch nicht fertig.« Atemlos hielt er inne, fühlte ein Sich-nach-innen-Saugen im Brustkorb, sein
     Mund öffnete sich, sog frische, kalte Luft ein. »Wir sind noch nicht fertig«, brüllte er. »Alles durcheinanderbringen und
     dann tot im Garten liegen«, brüllte er.
    Einen Moment war es still, kalte Luft strich an ihm vorbei, ließ ihn seinen Schweiß riechen. Er sprang vorwärts, streckte
     den Arm aus, bekam das Türblatt zu fassen, wollte die Tür zudrücken. Sie schob ihren Körper dazwischen, ihren Fuß, die Turnschuhspitze
     bog sich nach oben, als er sich gegen die Tür lehnte.
    Sie stand auf der Schwelle, die Tasche hatte sie über |196| ihre Schulter gehängt, seine Hand schnellte vor. Seine Finger schlossen sich um die Henkel, er ging einen Schritt zurück,
     verlagerte sein Gewicht nach hinten, es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, was er tat. Er hatte die Tasche von ihrer
     Schulter gezerrt, auf ihren Unterarm. Ihre Finger schlossen sich um den Stoff, sie zog, ihr Gesicht war gerötet.
    »Es reicht«, zischte sie.
    Er taumelte rückwärts, die Henkel in der Hand.
    »Vorsicht«, rief sie, sie hatte losgelassen.
    Er taumelte gegen die Konsole,

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