Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
Vom Netzwerk:
wirr, Frau Potulski blätterte eine Seite um, er
     hörte das Papier rascheln. Er musste sich konzentrieren, systematisch vorgehen.
    Von draußen waren nur die Dinge, die er eingekauft hatte, hereingekommen. Das Fleisch. Filme. Die Silberfischfallen, er dachte
     an die Klötzchen im Bad. Sie enthielten irgendein Insektengift.
    Frau Potulski sah hoch, als er aufstand.
    |181| »Die Küche«, sagte sie.
    Dieses Mal war er schneller, riss ihr den Bildband aus den Händen, sie war zu überrascht, um ihn festzuhalten, er klemmte
     ihn unter den Ellbogen und ging in die Küche. Sie folgte ihm, er hörte ihre Schritte hinter sich auf den Dielen, laute Schritte.
     Presste den Bildband seitlich gegen seinen Brustkorb, blieb am Küchenfenster stehen.
    »Das Buch«, sagte sie, ihre Stimme fordernd. Sie war dicht hinter ihm stehen geblieben, er konnte ihren rasch gehenden Atem
     fühlen, sie war wütend. »Sie können sich ausdenken, was Sie wollen, aber Sie behandeln mich mit Respekt«, sagte sie. Er legte
     den Bildband auf die Fensterbank, drehte sich um. Sie stand sehr dicht vor ihm, starrte ihn an, zwischen ihren Augenbrauen
     zwei steile Falten.
    Plötzlich schnellte seine Hand vor. Seine Hand zur Faust geballt, wie er feststellte, während die Hand auf sie zuschoss. Sein
     Handgelenk knackte, als die Faust ihr Brustbein traf. Jana Potulski taumelte rückwärts, verlor das Gleichgewicht, stolperte
     in die Dunkelkammer. Er griff nach der Tür, wollte sie ihr hinterherwerfen, mit all seiner Kraft. Die Tür krachte gegen den
     Rahmen, fiel ins Schloss, laut ins Schloss, die Wucht seines Stoßes lies den Schnapper zurückgleiten, und wieder vor, die
     Tür war zu. Er hatte sie ihr hinterherwerfen, vielleicht ihr Gesicht treffen wollen, ihre Nase, so, dass Blut aus ihr floss.
     Hatte sie nicht schließen wollen, hatte nicht darüber nachgedacht, doch die Tür fiel ins Schloss. So laut, dass er zuckte.
     Er rührte sich nicht, starrte sie an, reglos und weiß, hörte Holz, das gegen Metall stieß, |182| rutschte, dumpf auf Holz landete, auf klapperndem Plastik, die Regalbretter, dachte er, sie war in die Regalbretter gefallen.
     Seine Hand schnellte vor und drehte den Schlüssel, die Tür war abgesperrt. Etwas Schweres schlug auf den Dielen auf, sie vibrierten
     unter seinen Sohlen. Schalen, Plastikflaschen, leere, volle, die dumpfer klangen, fielen zu Boden, fielen durcheinander, zwei
     Glasexplosionen zählte er.
    Stille. Kein Tasten, kein Beiseiteschieben der Flaschen, Schalen, Scherben, kein Brüllen, kein Stöhnen, nichts. Er öffnete
     den Mund, schloss ihn wieder, lauschte. Die Küche leer, er betrachtete die weiß glänzende Tür. Sie bewegte sich nicht, schwankte
     nicht in den Angeln, die Küche war leer, als wäre er allein.
    »Sind Sie verletzt«, fragte er schließlich. Er bewegte sich auf die Dunkelkammer zu, setzte die Schuhe behutsam auf die Dielen,
     als dürfte er kein Geräusch machen, als müsste er leise sein, als hätte er ein wildes Tier in der Kammer gefangen, dass jederzeit
     die Tür aufstoßen und ihn anfallen könnte. Er presste die Zähne zusammen, er schüttelte den Kopf. »Frau Potulski«, fragte
     er, die Wange beinahe an den Lack gelegt. Die Tür gab ein Geräusch von sich, als würde sie sich dagegenlehnen. Er trat einen
     Schritt zurück.
    »Mein Arm tut weh«, sie tastete das Holz ab, suchte eine Klinke, einen Haken, irgendwas. Der Lichtschalter war in der Küche,
     neben der Tür. Die Tür schwankte in den Angeln, sie rüttelte daran, hatte ihre Fingerspitzen in den Spalt zwischen Tür und
     Rahmen geschoben, versuchte sie aufzudrücken. Er streckte die Hand aus, betätigte den Schalter, augenblicklich war die Tür
     ruhig. |183| Er konnte hören, dass sie sich bewegte, sich umsah, er hörte Plastik aneinanderstoßen.
    Ein dumpfer Schlag ließ ihn zurückfahren. Solange sie in der Lage war zu schlagen, konnte ihr Arm nicht so schlimm sein, entschied
     er. »Seien Sie still.«
    Er ging rasch ins Bad, das Klötzchen war leicht, hatte eine kleine Öffnung, rasselte leise, als er es schüttelte. Als wäre
     es mit kleinen Steinchen gefüllt. Mit Gift. Sie waren mit Gift gefüllt. Sie hatte ein paar der Steinchen herausgeschüttelt
     und sie ins Essen getan, ins Püree getan, er sah es wieder hellgelb auf seinen Teller klatschen, sie hatte ihm aufgetan, hatte
     ihm reichlich Püree gegeben. »Zu viel«, hatte er protestiert. Er versuchte sich zu erinnern, ob sie auch von seinem Püree
     gegessen

Weitere Kostenlose Bücher