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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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hatte. Von dem Schnitzel ja, er erinnerte sich an jedes einzelne Stück, das zwischen ihren Lippen verschwunden war,
     auf das Püree hatte er nicht geachtet.
    Er sammelte die Klötzchen ein, drei lagen im Bad, er hatte zwei Doppelpackungen gekauft, das letzte fand er unter der Spüle,
     bei den Putzmitteln, und brachte sie ins Schlafzimmer.
     
    Die Gefrierbeutel fand er unter einem der Stühle, das Glas mit den Clips auf der Arbeitsplatte. Er holte seinen Teller, schabte
     mit dem Messer Erbsen und ein Häufchen eingetrocknetes Püree in den Beutel und verschloss ihn mit dem Draht. Im Sideboard
     fand er weiße Etiketten,
Teller 1 HM
, schrieb er auf das erste, klebte es auf den Beutel. Auf das nächste schrieb er
Teller 2 JP
, der Beutel war um einiges voller, ein halbes Schnitzel, |184| Sauce, Püree, Erbsen, durcheinander, es sah aus wie Erbrochenes.
    »Was machen Sie?«, hörte er sie fragen, als er ihren Teller abkratzte. »Hermann!«, laut und hart, als er das restliche Püree
     aus der Schüssel umfüllte. Danach die Erbsen, die Sauce, jeweils in einen Beutel, er hoffte, die Clips verschlossen sie ausreichend.
     Hoffte, sie würden nicht auslaufen, trug die Beutel ins Schlafzimmer, öffnete das Fenster und legte sie in die dünne Schneeschicht
     auf der Fensterbank, um sie zu konservieren.
     
    Er zog einen der Küchenstühle zur Kammer, stellte ihn mit der Lehne zum Fenster und setzte sich. Müsste nur den Arm ausstrecken,
     um die Tür zu berühren, er wartete. Wartete, dass sie anfangen würde zu schreien, nach Hilfe vielleicht, krakeelen würde,
     stampfen würde, die restlichen Regale von der Wand reißen würde, auf dass die Nachbarn kämen. Wartete auf das Geräusch des
     Fensterriegels, das leise Quietschen der Angeln, wenn sie es öffnete, um ihren Kopf durch die schmale Öffnung zu schieben
     oder einen Arm, zum Winken, zu den Passanten hinab. Um hinunterzurufen, dass er sie festhielt. Die Tür nicht öffnete. Er sah
     zum Schloss.
    Es war still. Viel zu still.
    »Warum schreien Sie nicht«, fragte er. »Warum öffnen Sie nicht das Fenster und schreien um Hilfe?«
    »Sie lassen mich eh wieder raus.«
    »Sie wollen keine Polizei«, sagte er.
    »Warum rufen Sie nicht die Polizei und erzählen ihr von dem Gift?«
    »Sie geben also zu, dass Sie mir Gift …«
    |185| »Rufen Sie die Polizei«, sagte sie.
    Die Polizei würde sie mitnehmen. Würde sie nicht bei ihm lassen, würde sie wegbringen. Er war sich nicht sicher, ob er das
     wollte. Sie sollte aufhören. Aufhören, ihn zu töten. Sollte es einfach zugeben. Bekennen, dass sie schlecht war, und tun,
     was er sagte. Mehr wollte er nicht.
    »Die Polizei nimmt Sie mit«, sagte sie, »die Polizei bringt Sie in die Irrenanstalt. Schauen Sie sich doch um.«
    »Mich?« Er lachte. Der Schrankinhalt war noch immer in der Küche verteilt, er könnte behaupten, sie wäre das gewesen. Er würde
     darüber schlafen, er könnte sie über Nacht in der Kammer lassen. Sauerstoff war kein Problem, die Ritze zwischen Tür und Rahmen
     sollte genügen. Er müsste jedoch die Tür öffnen, um sie mit Nahrung zu versorgen, mit Wasser. Sie würde sich gegen das Holz
     werfen, die Tür aufdrücken.
    »Ich muss. Auf Toilette.«
    Er zuckte zusammen beim Klang ihrer Stimme. Das wäre das größte Problem, er sah zum Eimer, hellblau und aus Plastik stand
     er neben der Spüle, nein, er müsste die Tür öffnen, ihn ihr reichen und ihn wieder in Empfang nehmen. Ekel ließ ihn schaudern,
     als er sich vorstellte, was im Eimer drin wäre.
    Sein Körper spannte sich blitzschnell, seine Brust sehr eng von innen, eine glühende Nadel zwischen seinen Rippen. Die Tür
     dröhnte, schwankte leicht in den Angeln, das Schloss gab ein hartes metallenes Geräusch von sich, sie warf sich gegen die
     Tür, mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür.
    |186| »Still, seien Sie still. Ich kann nicht nachdenken«, sagte er.
    Ihre Schläge so laut, dass er seine Stimme kaum hörte.
    »Hören Sie auf!« Er schlug mit der flachen Hand gegen die Tür, das Holz dröhnte, vibrierte in den Angeln, »Hör auf!« Er schlug
     wieder und wieder, drinnen musste es schmerzhaft laut sein.
    »Ich muss«, sagte sie, als es wieder still war.
    »Gleich«, antwortete er.
    Es bullerte dumpf hinter ihm, als er in den Flur ging.
    »Ich pinkle auf den Boden. Ich mache in Ihre Dunkelkammer«, sie trat erneut zu, »ich zähle bis zwanzig.«
    Er öffnete die Geschirrschublade, sammelte sämtliche Messer zusammen, den

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