Silberflügel: Roman (German Edition)
über dem Kopf zusammen und hüllte sich so ein. „Eure Reise wird wie jede Reise sein, schwierig und anders als erwartet.“ Seine Stimme klang entrückt und unsicher. „Ihr werdet einen unerwarteten Bundesgenossen finden, aber hütet euch vor Metall an Flügeln … und … ihr werdet Hibernaculum finden …“
Schattens Herz hüpfte, aber Zephirs Stimme klang alles andere als erfreut, während er fortfuhr.
„… aber andere suchen auch danach, mächtige Kräfte, und ich kann nicht erkennen, wer es als Erster erreicht oder ob das, was sie bringen, gut oder böse ist … Und dein Vater Cassiel …“
„Was?“, rief Schatten. „Was ist mit ihm?“
Die weiße Fledermaus zögerte einen Augenblick, bevor sie sagte: „Er lebt.“
Zephir verstummte und sein Kopf tauchte wieder auf. Rasch legte er die Flügel an. „Ich kann sonst nichts hören. Die Echos sind so schwach und verworren.“
„Aber könntest du nicht schauen, wo …“
Bedauernd schüttelte die weiße Fledermaus den Kopf. „Nur, dass er weit weg ist.“
„Er lebt“, murmelte Schatten erstaunt. Tief im Herzen hatte er das immer gehofft. Seine Mutter und Frieda irrten sich. Cassiel war nur verschwunden, aber wohin? Ungeduldig blickte er zum Himmel hoch.
„Dann auf Wiedersehen“, sagte Zephir. „Und viel Glück.“
„Danke“, sagte Schatten. Er hob vom Turmhelm ab und umkreiste ihn mit Marina. „Und vielen Dank auch, dass du meinen Flügel in Ordnung gebracht hast. Und für alles andere.“
„Auf Wiedersehen“, rief Marina über ihren Flügel hinweg.
Sie flogen höher, um sich von den Dächern zu entfernen und von den Tauben, die dort hausten. Marina schlug vor, den Himmel zur Beobachtung unter sich aufzuteilen, um sicher zu sein, dass ihnen nichts entging. Schatten versuchte sich zu beruhigen. Sein Vater am Leben …
Er wusste, dass er sich jetzt auf den Flug konzentrieren musste, so schwer ihm das auch fiel. Er nahm alle seine Sinne zusammen. Er schnüffelte, er lauschte, er durchforstete die Nacht nach Anzeichen von Vögeln.
Als sie hoch über dem höchsten Turm waren und sich die ganze herrliche, funkelnde Stadt unter ihnen ausbreitete, beendeten sie ihren Steigflug. Schatten fand seinen Leitstern und richtete die Nase nach ihm aus.
„Hast du die Unterseite von Zephirs Flügeln gesehen?“, fragte er zögernd.
„Ich habe mich gefragt, ob es nur an der Beleuchtung lag“, antwortete Marina ohne zu zögern.
„Ich auch.“
„Aber …“
„Ich glaube nicht, dass es daran gelegen hat, oder?“, sagte er.
Nach einer Pause: „Du hast es auch gesehen, nicht wahr?“, fragte Marina.
Schatten nickte. „Seine Flügel wurden unten dunkel.“
„Ja“, sagte sie. „Sie waren schwarz wie die Nacht – und sie waren voller Sterne.“
Goth blickte auf die glitzernden Lichter hinab. Mehr als eine Stunde lang hatte er nun mit Throbb gekreist und war dabei auf der Suche nach Fledermäusen in Spiralen allmählich an die Ränder der Stadt gelangt. Sie hatten keine entdeckt. Gab es so weit nördlich überhaupt Fledermäuse? Das war ein niederschmetternder Gedanke. Was wäre, wenn nicht? Wie sollte er dann einen Führer finden? Wie sollte er nach Hause kommen?
Unmittelbar vor Sonnenuntergang hatte er einen Traum gehabt. Er war zurück im Dschungel, genoss die Hitze, und plötzlich flogen um ihn herum hunderte von Fledermäusen, nicht von seiner eigenen Art, sondern kleine Fledermäuse, die kleinsten, die er je gesehen hatte, und sie umkreisten ihn fröhlich und sangen seinen Namen. Was tun die hier, fragte er sich, aber er war von einem Gefühl des Triumphes überwältigt. Bis die riesigen Bäume und Schlingpflanzen und Farne des Dschungels plötzlich umstürzten und er von Mauern umgeben war, von Mauern der Menschen, und hinter einer stand der Mann und lächelte ihn an.
Goth schüttelte den Kopf. Er träumte selten und hatte die Erfahrung gemacht, dass das immer wichtig war, ein Weg, auf dem Zotz zu ihm sprach. Was sollte der Traum bedeuten?
„Schau!“, zischte Throbb. „Da unten.“
Goth äugte hinab und grinste erleichtert.
Fledermäuse.
– 12 –
Der gesperrte Himmel
„Hast du das gehört?“
„Was?“, fragte Marina.
„Flügelschlagen.“ Schatten blickte über den Flügel nach hinten und suchte den Himmel mit den Augen und dem Klang-Sehen ab. Nichts.
Sie hatten schließlich die Ausläufer der Stadt erreicht und Schatten war erschöpft. Er konnte kaum fassen, wie viel Glück sie gehabt hatten. Zweimal hatten
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