Silberlicht
sich mit einem Fuß auf dem Gehsteig abstützte, das Haar vom Wind zerzaust und die grüne Tasche auf seinem Rücken, schlossen wir zu ihm auf. Nachdem wir auf die Rosewood abgebogen waren, passierten wir einen kleinen Park mit Schaukeln und einer Hirschstatue. An der Ecke der Amelia Street bog James nach links in ein Wohngebiet ab, Mr. Browns Auto rollte gemächlich hinterher. Die Holzhäuser entlang der Straße waren klein und heruntergekommen. James bremste vor der Einfahrt des dritten Hauses und setzte beide Füße auf den Boden. Sein schwarzes Hemd flatterte im Wind, als er sich zu uns umdrehte. Mr. Brown brachte das Auto mitten auf der Straße zum Stehen. Er wirkte verwirrt. James starrte ihn an. Das Fenster glitt mit einem leisen Surren herunter.
»Mr. Blake«, sagte er.
»Jawohl, Sir«, antwortete James und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Ich war auf den Rücksitz geglitten und versteckte mich hinter Mr. Brown.
»Gute Arbeit«, sagte er.
»Danke.« Ich spürte, wie James nach mir suchte.
»Dann mal bis morgen.« Mr. Brown schloss das Fenster. »Wie zum Teufel bin ich in dieser Straße gelandet?«, fragte er sich und runzelte die Stirn.
Während wir davonrollten, blickte ich zurück. Das Haus war hellblau gestrichen, die Farbe blätterte ab, Efeu rankte sich an der einen Seite hoch, und auf dem Rasen stand ein Feigenbaum. Über der Tür hing ein Schild mit der Hausnummer siebenhundertdreiundzwanzig. Der Seitenspiegel von James’ Mountainbike blitzte auf, während er es in die dunkle Garage schob. Leise sprach ich einen Wunsch aus, als hätte ich gerade eine Sternschnuppe gesehen. Ich wünschte, dass James mein Bewahrer sein würde. Erregung brandete durch mich hindurch wie ein blitzschnell abbrennender Docht. Siebenhundertdreiundzwanzig. Immer und immer wiederholte ich die Zahl wie eine Beschwörung.
Als wir ein paar Minuten später bei Mr. Browns Haus ankamen, geschah etwas Furchtbares. Als er das Haus betrat, konnte ich ihm nicht folgen. Ich prallte zurück, als ich versuchte, durch die Tür (oder genauer gesagt die Wand) zu gehen, wie ein Blatt, das gegen eine Glasscheibe geweht wird. Ich schwebte zum Küchenfenster, durch das ich undeutliche Geräusche nach draußen dringen hörte. Ich konnte die Außenwand auf meine mir eigene, sanfte Art berühren, doch ich konnte das Haus nicht betreten. Ohne es zu wollen, begann ich laut zu weinen, wie ein Kind in einem tiefen Brunnen. Meine Geisterstimme schreckte die Krähen in der nahe stehenden Eiche auf, und das ernüchterte mich, für eine Weile zumindest. Ich streifte um das kleine Haus herum und sah in jedes Fenster. Ich hatte einen fatalen Fehler begangen, genau wie damals im Theater, als ich mir wünschte, einer der Schauspieler auf der Bühne unter mir wäre mein Begleiter.
Ich versuchte, meine Arme durch die Wand zu drücken und mich wieder an Mr. Brown zu hängen, so wie ich es mit meinem Ritter getan hatte, doch vergeblich. Wenn du mich liebst, sprach ich in Gedanken zu ihm, dann bitte mich herein. Doch ich wusste es besser. Hier ging es nicht um Liebe. Es war das Wesen der Sache. Ich hatte das mystische Gesetz der Hingabe gebrochen. Ich hatte mir einen anderen Bewahrer gewünscht. Mein Geist war davongewandert, und dies hatte unser Band durchtrennt wie eine Blüte, die von ihrem Rebstock abgeschnitten wird. Der vertraute Schmerz würde bald zurückkommen. Stur stieß ich immer wieder gegen ein und dasselbe Fenster, wie eine Motte ohne Erinnerung. Das Schlafzimmerfenster war halb geöffnet, doch auch hier konnte ich mir keinen Zutritt verschaffen. Ich wartete, mein Gesicht an die Öffnung gepresst, meine Hände umklammerten den Fensterrahmen wie Gitterstäbe, und wartete auf meine Hölle, auf dass sie mich hole.
Mr. Brown kam ins Zimmer und setzte sich aufs Bett. Seine Frau folgte ihm und ging zum Spiegel, nahm eine Haarspange vom Frisiertisch und betrachtete sich, während sie sich die Haare hochsteckte. Sie sah Mr. Brown im Spiegel und fragte: »Was ist los?«
»Nichts«, antwortete er und versuchte zu lächeln. Mrs. Brown ging zum Bett und setzte sich neben ihn. »Nun red schon«, sagte sie.
Er legte sich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke. »Ich weiß es nicht.«
Sie streckte sich neben ihm aus und stützte ihren Kopf auf einen Ellbogen, so dass sie sein Gesicht sehen konnte.
Mr. Brown sah bedrückt aus. Während er zu sprechen ansetzte, spielte er zerstreut mit den Fingern ihrer rechten Hand. »Ich habe
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