Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
Vom Netzwerk:
versuchte er, mir mein Kleid über den Kopf zu stülpen. Einer meiner Schuhe fiel nach unten auf die Bühne. Der Aufprall hallte wie ein Gewehrschuss nach.
    Wie eigenartig es war, ihn ohne Scham von seiner Kleidung zu befreien. Ich war immer schockiert gewesen, wenn moderne Frauen in Büchern und Filmen die Initiative ergriffen, ihre Partner aufs Bett warfen oder den Fahrstuhl zwischen zwei Stockwerken stoppten. Selbst Mrs. Brown hatte mich oft mit ihren Verführungskünsten erschreckt, die Mr. Browns Interesse so schnell weckten, dass ich kaum Zeit gehabt hatte, mich zu entfernen. Auch wenn ich mich nicht erinnern konnte, wer sie mir als Mädchen beigebracht hatte, kannte ich die Etikette: Die Braut wartet, sicht-, jedoch nicht hörbar, bereit, sich auf den Befehl ihres Mannes hin zu öffnen. Sein Ziel ist Vergnügen, ihres – wenn überhaupt – das Geheimnis. Doch dies war neu. Mit James schien alles neu zu sein.
    Ich war erstaunt über meine Verwegenheit. Als wir uns auf unserem samtschwarzen Bett ausstreckten, war nichts als nackte Haut zwischen uns. Er nahm seine Hand zu Hilfe, um in mich einzudringen, und ein scharfer Schmerz raubte mir den Atem.
    »Ist das dein erstes Mal?«
    »Nein.«
    »Ich meine, für Jenny.«
    »Oh.« Ich spürte, wie sein Körper vor Erregung zitterte, doch er wartete geduldig. »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    »Tu ich dir weh?«, fragte er.
    »Es geht mir gut.«
    Erleichtert stieß er in mich hinein. Ein zartes Geräusch entrang sich meiner Kehle, ein Echo in der Dunkelheit. Ich wand mich unter ihm vor Sehnsucht. Um uns herum pulsierten die Schatten im Rhythmus seines Stöhnens, flüsterten leise bei jedem Stoß. Meine Antworten waren so sanft wie Vogelgezwitscher. Die unsichtbaren Tiefen über uns bargen schwingende Taue und dunkle Lichter wie die unmerklichen Bewegungen der Äste in nächtlichen Bäumen. Als ich meine Hände in seine Pobacken krallte und ihn tiefer in mich hineindrückte, wurde mein Blickfeld weiß, und eine süße Welle überschwemmte mich. Mir war nicht bewusst, dass ich aufgeschrien hatte, bis das Echo mich erreichte. James bedeckte meinen Mund mit heißen Küssen, und sein Körper spannte sich. Er schlang seine Arme um meine Taille und hob mich von dem weichen Stoff auf.
    »James.«
    Er antwortete nicht, sondern wiegte mich in seinen Armen.
    »War das dein erstes Mal?«, fragte ich.
    Er schien Atem zu schöpfen und blinzelte mich an. »Ich weiß es nicht.« Dann lachte er.
    Ineinander verschlungen lagen wir da, bis unsere Zähne vor Kälte zu klappern begannen. Wir waren schweißnass, und es war kühl auf unserer Plattform. James breitete sein T-Shirt und meinen Pullover wie eine Decke über uns aus. Ich fühlte mich ein wenig benommen und schwindelig, fast, als schaukelten wir auf einem Fluss, der uns unter einem mondlosen Himmel davontrug.
    »Wie hast du Jennys Körper in Besitz genommen?«, fragte er.
    Ich musste lachen und war sogleich erschrocken über mich. »Während des Gebets bei einem Kirchenpicknick.«
    »Du machst Witze.«
    »Alle dachten, ich hätte eine Vision.«
    »Wo wohnst du?«, fragte James weiter.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Ich weiß auch meine Telefonnummer nicht.«
    Wie wundervoll, wie unerwartet, dass er mich immer noch in seinen Armen hielt und voller Aufmerksamkeit jedes meiner Worte und jede meiner Gesten in sich aufnahm, auch jetzt noch, nachdem meine Sehnsucht gestillt war und mein Körper sich entspannt hatte. Warum ich Einsamkeit erwartet hatte, konnte ich nicht sagen.
    »Konntest du dich schon an etwas erinnern?«, wollte er wissen.
    »Nur flüchtige Momente.« Die meisten Gefühle, die mit meinen Erinnerungen einhergingen, mochte ich nicht. »Und du? Erzähl mir, was noch zu dir zurückgekommen ist«, bat ich.
    »Mal überlegen …« Er betrachtete mich, während er den Schwung meines Kiefers und meines Schlüsselbeins nachzeichnete. »Heute Morgen habe ich mich daran erinnert, dass meiner Mutter ein halber Finger fehlte, hier, siehst du.« Er hielt seine rechte Hand in die Höhe, den Zeigefinger in der Mitte abgeknickt. »Wenn sie sich ihre Schürze umband, hat sie die Bänder immer ganz komisch verknotet.« Er versuchte, den Tanz ihrer Hände nachzuahmen. Dann legte er sein Gesicht an meinen Nacken und atmete tief ein.
    Als die Klingel ertönte, zuckte ich zusammen.
    »Wir haben eine lange Mittagspause«, sagte er und küsste meinen Hals. »Wir können bis ein Uhr hierbleiben.«
    »Und das Mittagessen

Weitere Kostenlose Bücher