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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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rief mich, aber allein dieser Gedanke reichte aus, um dem Ruf nicht zu folgen. Ich marschierte eine Weile im Wohnzimmer umher und versuchte, mir irgendeine Waffe auszudenken, mit der ich im Vorteil wäre. Ortega war stärker, schneller, erfahrener und unempfindlicher gegenüber Verletzungen als ich. Mit welcher Waffe sollte ich gegen ihn ankommen? Wenn man das Duell als Wettbewerb im Pizzaessen ausrichten könnte, hätte ich vielleicht eine Chance, aber irgendwie konnte ich nicht glauben, dass der Pizza Express Hungry Man Special auf der Liste der erlaubten Waffen stand.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr und runzelte die Stirn. Die Morgendämmerung begann in wenigen Minuten, und Bob war noch nicht zurück. Er war ein Geistwesen, ein reines Bewusstsein aus einer der eher surrealen Ecken des Niemalslandes. Er war nicht ernsthaft böse, sondern vielmehr frei von jeglicher Moral, und für ihn als Geist stellte das Tageslicht eine ebenso große Gefahr dar wie für die Vampire des Roten Hofs. Wenn er sich draußen erwischen ließ, dann konnte es ihn umbringen.
    Zwei Minuten vor Einbruch der Dämmerung kehrte Bob zurück, strömte die Leiter herunter und schwebte zum Schädel.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Bobs Manifestation als wirbelnde leuchtende Wolke von der Farbe einer Kerzenflamme taumelte trunken nach links und rechts. Purpurne Flecken von glühendem Plasma tropften aus der Wolke herab und verwandelten sich in durchsichtigen Kleister, sobald sie den Boden berührten. Die Wolke strömte in den Schädel, und nach einem Moment erschienen schwache violette Lichtpunkte in den leeren Augenhöhlen des Schädels.
    »Aua«, sagte Bob müde.
    »Bei den Toren der Hölle, geht es dir nicht gut?«
    »Nein.«
    Bob einsilbig? So ein Mist. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Nein«, sagte er schwach. »Muss mich ausruhen.«
    »Aber…«
    »Muss berichten«, unterbrach mich Bob.
    Na gut. Er hatte einen Auftrag bekommen und wollte ihn beenden. »Was ist passiert?«
    »Schutzsprüche«, erklärte Bob. »Marcone.«
    »Was?« Mir blieb der Mund offen stehen.
    »Schutzsprüche«, wiederholte Bob.
    Ich setzte mich auf den Hocker. »Verdammt, wie ist Marcone an Schutzsprüche gekommen?«
    »Durch Magie vielleicht?« Bobs Stimme klang durchaus verächtlich.
    Die Beleidigung beruhigte mich ein wenig. Wenn er schon wieder frech werden konnte, dann würde er sich erholen. »Konntest du erkennen, wer die Sprüche gewirkt hat?«
    »Nein, sie waren zu gut.«
    Verdammt. Ein Spruch musste wirklich sehr gut sein, wenn Bob daran scheiterte. Vielleicht war er schwerer verletzt, als ich angenommen hatte. »Was ist mit Ortega?«
    »Im Rothchild«, erklärte Bob. »Ein halbes Dutzend Vampire sind bei ihm, dazu etwa ein Dutzend Sterbliche.«
    Bobs Augenlichter flackerten und spuckten. Ich konnte nicht riskieren, ihn zu verlieren, indem ich ihn zu sehr drängte – ob Geist oder nicht, er war nicht unverwundbar. Vor Pistolenkugeln und Messern hatte er natürlich keine Angst, aber es gab durchaus Dinge, die ihn töten konnten. »Das reicht für den Augenblick. Den Rest kannst du mir später erzählen. Leg dich jetzt schlafen.«
    Sofort und ohne ein weiteres Wort erloschen Bobs Augenlichter.
    Eine Weile betrachtete ich stirnrunzelnd den Schädel, dann schüttelte ich den Kopf. Schließlich holte ich die Flaschen mit den Tränken, räumte meinen Arbeitsplatz auf und wollte gerade nach oben gehen, um Bob etwas Ruhe zu gönnen.
    Als ich mich über die Wachflammen beugen und sie auspusten wollte, zischte die grüne Kerze und wurde klein wie ein Stecknadelkopf. Gleichzeitig flammte die gelbe Kerze ohne Vorwarnung auf, heller als jede Glühbirne.
    Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust, und die Furcht kroch mir mit Spinnenbeinen über den Rücken.
    Irgendetwas näherte sich meiner Wohnung, da die Flamme von der grünen zur gelben Kerze gewechselt war. Das magische Frühwarnsystem, das ich zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt installiert hatte, meldete die Annäherung eines übernatürlichen feindseligen Wesens.
    Kurz darauf verblasste die gelbe Kerze, und die rote explodierte förmlich. Die Flamme war so groß wie mein Kopf. Bei den Sternen und Steinen. Der Eindringling, der das mit den Wachflammen verbundene Alarmsystem ausgelöst hatte, näherte sich, und er war stark – oder es waren gar mehrere Wesen. Da die rote Kerze so rasch gezündet hatte, kamen sie schnell näher und waren höchstens noch ein paar Dutzend Meter von meiner Wohnung entfernt.
    Ich

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