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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zusammen?«
    »Nicht offiziell. Sie besucht die Kunstgewerbeschule in Niigata. Wir sehen uns nur am Wochenende. Aber natürlich wissen alle Bescheid.«
    »Wirst du ihretwegen Ärger haben?«
    Er schüttelte leicht den Kopf.
    »Man sieht nie voraus, was kommt. Man wandert mit blinden Augen und stolpert plötzlich in eine Schlinge.«
    »Liebt sie dich?«
    Er schwieg, überlegte.
    »Auf ihre Art, ja«, erwiderte er schließlich. »Aber es gibt vieles, was sie noch lernen muß.«
    »Seid ihr schon lange zusammen?«
    »Seit einem Jahr.«
    »Eine lange Zeit, nicht wahr?«
    Er erwog das eine Weile, still für sich.
    »Gewiß. Und wir hatten sehr glückliche Momente.«
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    Ich blieb stumm. Sein Haar war nach vorne gefallen. Er warf es zurück und sah mich an.
    »Machst du dir Sorgen deswegen?«
    »Habe ich keinen Grund dazu?«
    »Während du schliefst«, sagte er, »habe ich über manches nachgedacht. Ich brauche keine Affären. Ich war auf einem toten Punkt angelangt, als Mitsue mir etwas Neues brachte. Sie ist sehr unabhängig, aber nicht abgebrüht. Sie hat die Unbekümmertheit und Direktheit ihres Alters und versteht vieles, aber nicht genug.«
    »Ach, Ken«, seufzte ich, »ich bin egoistisch. Verzeih mir!«
    Er lag halb ausgestreckt auf der Matte und spielte mit meiner Hand.
    »Was verzeihen? Wenn wir lieben, stehen wir vor dem Herzen des anderen wie vor einer offenen Tür. Aber wir hinterlassen Schmerz; jenen Schmerz, den wir denen zufügen, die draußen bleiben.«
    »Du könntest deine Meinung ändern«, erwiderte ich.
    Er lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
    »Nein. Es ist wie bei der Musik; schlage ich die Trommel auf weitem Feld, unter freiem Himmel, verwehen die Klänge ins Unendliche. Das hört sich nicht schlecht an, ist aber nicht genug. Erst in einem Raum, wo Mauern dem Ton Grenzen setzen, ihn aufhalten, brechen, zurückwerfen, ihm Echo und Hall geben –
    erst in dieser Begrenzung ist es der Trommel möglich, ihren Klang voll zu entfalten, so daß wir sie in ihrer ganzen Gewalt erleben. So ist es auch mit der Liebe. Alles, was Gestalt annehmen, was wachsen und sich entfalten will, braucht Begrenzung. Die Treue zu dir soll meine Grenze sein. Sei ganz ruhig, Chérie.
    Ich werde mit Mitsue sprechen und die Sache so bald wie möglich in Ordnung bringen.«
    »Tut es dir nicht leid, sie zu verlassen?«
    Er zog mich zu sich auf die Matte, rollte sich mit halbem Körper auf mich und sprach schnell und kehlig, dicht an meinen Lippen.
    »Ich kann nicht sagen, ob es mir etwas ausmacht oder nicht, mich von Mitsue zu trennen. Ich nehme an, daß es mir leid tut. Ich habe sie sehr gern. Aber das, was ich für dich empfinde, ist stärker.«
    Er umfaßte mein Gesicht. Seine Haare streiften meine Wangen. Ich bewegte leicht den Kopf hin und her, um sein Streicheln auf Augen und Mund zu spüren.
    Ein Name klang in mir wider. Mitsue. Sie war keine fremde Gestalt mehr; sie wurde deutlicher, sie rückte näher. Ich fühlte sie im Herzen. Es war ein Leuchten, und es war ein Schmerz. Wie oft, dachte ich, hast du bei ihr das Wort Liebe gebraucht? So was sagt man doch, wenn man zusammen im Bett ist. Seit ich dich kenne, habe ich ein Gefühl für diese Dinge. Ich will mir nicht vorstellen, wie du das rote Band aus deinem Haar ziehst – mit diesem lockeren Kopfschwung nach hinten –, ihr mit geschickten Händen alle Kleider vom Leib streifst, sie auf dich 273
    hebst, sie streichelst und küßt, überall. Ich will mir nicht vorstellen, wie du sie liebst.
    »Ich will dich!« brach es aus mir hervor.
    »Sag es noch einmal!« murmelte er. »Ich muß sicher sein, daß ich mich nicht verhört habe.«
    Ich legte die Arme um seinen Hals.
    »Ich will dich ganz!«
    Er preßte mich fest an sich.
    »Das ist gut!« keuchte er. »Ja, das ist gut!«
    »Und Mitsue?«
    Es war mir gelungen, ihren Namen ohne Erregung auszusprechen. Und vielleicht war die Frage nicht mehr, was wir empfanden, sondern was sie empfinden würde. Auch das war ein Gedanke, der aus diesem Schmerz kam. Ich konnte von ihr nicht verlangen, daß sie nicht mehr an Ken dachte, weil sie nicht mehr an ihn denken sollte. Daß jetzt alles vorbei und Schluß sein würde, nur weil ich zufällig dazwischengekommen war. Abschied und Verzicht, mit allem Drum und Dran. Ich an ihrer Stelle würde durchdrehen. Schreien und toben, alles kurz und klein schlagen. Pillen schlucken, in der Klinik landen.
    Ich glaube, ich würde mir das Leben nehmen.
    »Wir werden ihr weh tun«, hörte ich ihn

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