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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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einzige Glück, das er mir hinterlassen hatte. Keine Frau hat je einen Mann richtig geliebt, die nicht versucht hätte, seine Nähe durch die bittersüße Qual der Erinnerung heraufzubeschwören.
    Eine Frau, die wirklich liebt, kennt diese Erregung. Ich kauerte und drückte mich zusammen, die Beine hochgezogen, das Gesicht in den Händen vergraben.
    Ich suchte Kens Geruch in meiner Handfläche, wieder und wieder, während Bilder und Erinnerungen mich überfielen und ich ihn so innig liebte, daß mir alles weh tat.
    Von der anderen Straßenseite drang Musik an mein Ohr, eine leichte, schwingende Melodie. Als ich aufblickte, sah ich ein Hochhaus auf der anderen Straßenseite, ein Turm aus Glas und Stahl wie ein aufwärts stürzender Wasserfall.
    Ein Kristall, in den Mamorfliesen am Fuß des Gebäudes eingelassen, spiegelte das Eisblau des Himmels wider. Einige Atemzüge starrte ich traumbefangen in das Licht. Es kam mir seltsam und wunderbar vor, daß das Wesen, das meiner Seele am nächsten stand, ein Fremder war, ein Mann aus einem anderen Erdteil. Seine Arme hielten und beschützten mich, sein Atem ging mit dem meinen im Gleichklang. Er hatte mir sein Lachen geschenkt, seine Zärtlichkeit, sein Vertrauen. Er hatte mich verwandelt, auf seine ureigene Art. Ich konnte nie mehr so sein wie früher, ich wollte es auch nicht, denn dann hätte ich etwas verloren.
    Doch nun gab es kein Zurück mehr. Ohne ihn, ohne den Gedanken an ihn, war alles bedeutungslos. Ich war erfüllt von Glück, durchströmt von warmen, zärtlichen Wellen. Dankbarkeit kam in dieser Flut; sie füllte mich aus, wie Wasser in ein ausgetrocknetes Moor sickert. Alle Bitterkeit verschwand darin und jeder Zweifel.
    Ich holte tief Luft. Erhob mich. Strich mein Haar aus dem Gesicht. Meine Augen wanderten weiter, zum Himmel empor. Mein Herz bewegte sich, wuchs hinauf, schlug mir in der Kehle, es war ein Hämmern, ein vibrierender Trommelschlag, eine erlösende Kraft, eine Sprache zwischen uns, von dir zu mir.
    Ach, wie sehr ich dich liebe! Ich habe mich selbst gefunden, mich selbst entdeckt, uns beide entdeckt. Hilf mir. Befreie mich von meinen Ängsten. Die alte Gewohnheit läßt es mich fühlen, sie wirken noch immer in mir, lähmend und stetig. Doch jetzt bist du da. Für mich. Du bist zärtlich und stark wie der Himmel.
    Du gibst mir so viel Kraft, wenn du wüßtest! Ach, küß mir die Tränen vom Hals, nimm deine Hände nicht fort, umarme mich ganz fest, laß mich auf deinem Herzen schlafen, laß mich schreien und weinen. Ich will mich nicht mehr selbst betrügen, im Geist davonrennen, mich einmauern. Ich will die Leiter meiner Furcht 161
    hinaufsteigen, höher und höher, dem grüngoldenen Licht entgegen, das ich einst verlor. Ich will dir die ausgelöschten Bilder zeigen, das tote Kind in mir erwecken, es streicheln und liebkosen, bis es seine Augen für immer schließt. Mir bleibt nichts anderes übrig, ich muß es tun. Um meinetwillen, um deinetwillen. Du sollst wissen, was damals in Arles geschah; wie ich gelitten, gekämpft und überlebt habe.
    Ich will reden, ich will davon sprechen, ich kann es kaum abwarten, es dir zu sagen. Komm zurück, ich dürste nach dir, ich nähre mich von deiner Seele. Küsse mich, trage mich, ich gebe mich dir preis. Und dann sei barmherzig oder verlasse mich, und ich werde abreisen und nicht mehr lange leben.
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12. KAPITEL
    I m Hotel suchte ich die Damentoilette auf, ließ kaltes Wasser über mein Gesicht laufen und kämmte mich. Ein bißchen Lippenstift – so war es besser. Als ich wieder in die Halle kam, saß Franca in einem Ledersessel und rauchte. Franca im schwarzen Minirock, das Haar glänzend und hochgesteckt, die Lider dunkel gepudert und ein nervöses Zucken um den Mund. Sie sah mich kommen und stieß einen Rauchring durch die Nase.
    »Ich wollte gerade gehen.«
    »Wartest du schon lange?« fragte ich.
    »Zwanzig Minuten«, sagte sie.
    Sie betrachtete mich, eine Falte zwischen den Augenbrauen.
    »Was hat er mit dir gemacht? Ich kann es mir schon denken«, setzte sie spöttisch hinzu, als ich schwieg. »Du brauchst den Mann ja nur anzuschauen und weißt, daß er dich mit drei Lendenstößen in den siebten Himmel befördert.
    Hoffentlich hat er kein Aids.«
    Ich schluckte.
    »Hör auf, Franca. Es ist nicht das, was du meinst.«
    »Ach nein? Was ist es denn sonst? Schon die ewige Treue? Der Bund fürs Leben? Schon möglich, daß eure Anziehung auf Gegensätzlichkeit beruht, er findet dich ebenso erotisch

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