Silberne Sterne über Montana
Jeans, Stiefel mit den verräterisch alten Absätzen, die den Reiter und nicht den Fußgänger verrieten, und das obligatorische Baumwollhemd, das im Vergleich zu Codys strahlend blauen Augen farblos wirkte.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie der einzige Fremdkörper in diesem Raum war. Mit dem langen Kleid gehörte sie eindeutig in ein Chicagoer Wolkenkratzer-Apartment, wo sie es oft getragen hatte. Obwohl es mit dem hohen Stehkragen und den langen, weiten Ärmeln züchtig war, zeichneten sich unter dem weichen Stoff ihre Brüste und Hüften deutlich ab, und - verflixt noch mal - sie hatte das genau gewusst. Wie sie auch gewusst hatte, dass die rosa Farbe die natürliche Röte ihrer Wangen unterstrich, dass der samtige Stoff zur Berührung einlud, die kleinen Perlknöpfe vom Kragen bis zum Saum die Rundung ihrer Brüste und ihre schmale Taille betonten. Was hatte sie sich also dabei gedacht, es anzuziehen?
Cody zu zeigen, was ihr fehlte?
Sollte sie ihre Weiblichkeit gezielt einsetzen sowie die körperliche Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, wie er ehrlich zugegeben hatte?
Warum hatte Hazel nichts gesagt, als sie zum Abendessen heruntergekommen war? Warum hatte sie ihr nicht gesagt, dass ihr Kleid völlig unpassend sei? Dass es ihre Absicht auf verletzende und abscheuliche Art offenbarte? Am schlimmsten aber war, dass sie am allerwenigsten mittels einer einfachen Verführung ihr Ziel erreichen wollte. Was sie für Cody empfand, ging viel tiefer. Irgendwie hing alles mit diesem Haus, dieser Ranch, mit diesem Landstrich und seiner Bevölkerung zusammen, und ihre unverhohlene Absicht, ihn irgendwie zu verführen, verlieh ihren Gefühlen etwas Billiges.
Die Erkenntnis ließ sie erröten. Sie wollte sich schon entschuldigen und sich auf ihr Zimmer verziehen, da sagte er:
"Die Farbe steht dir ganz ausgezeichnet."
Sie konnte es nur hoffen, denn in diesem Moment nahm jeder entblößte Zentimeter ihrer Haut diese Tönung an. "War albern, es anzuziehen. Ich wollte mich eigentlich gerade umziehen."
"Warum? Weil es nicht aus Baumwolle oder Wildleder ist?"
Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und lächelte Tana an.
"Schon möglich", sagte sie und biss sich auf die Lippe. Dann wandte sie sich ab, weil sie seinen Blick auf sich ruhen fühlte.
"Solche Kleider trägt man in Chicago."
"Dann auf nach Chicago", sagte er ruhig.
Sie wandte sich ihm zu, irritiert wegen des unverhofften Kompliments, sich nur vage des Geklappers bewusst, das Hazel in der Küche machte.
Sein Gesichtsausdruck hatte sich irgendwie verändert - da war eine Klarheit in seinen Augen, als wenn sich ihm gerade eine Tür geöffnet hätte.
"Auch ich habe meine Leute an dieses Land verloren", sagte er sanft, und das laute Pochen ihres Herzens lenkte sie so ab, dass sie einen Moment brauchte, um Codys Enthüllung zu begreifen. Die ganze Woche über hatten Hazel und sie nach Hinweisen auf seine Vergangenheit gesucht, nach etwas, das den Mann mit den zwei Seelen in seiner Brust, der mit ihnen zusammenlebte, menschlicher machte, und nun, ganz plötzlich, gab er bereitwillig Informationen preis.
Sie blieb reglos stehen, alle Sinne geschärft, als er fortfuhr:
"Es ist lange her. Ich war noch ein Teenager, trotzdem erinnere ich mich, gedacht zu haben, dass meine Mutter nicht gestorben wäre, wenn wir nur irgendwo anders gelebt hätten - irgendwo im Flachland -, dort, wo die Berge die Straßen nicht in Haarnadelkurven zwingen und wo Autos nicht viele Meter hinunterstürzen, bevor sie auf den Boden aufschlagen. Wie du habe ich diesem Land jahrelang die Schuld gegeben.
Wir haben es wohl nötig, die Schuld auf irgendetwas zu schieben, wenn wir etwas verlieren, was wir lieben. Wir beide haben die Schuld auf etwas abgewälzt, das immer ein Teil von uns gewesen ist: auf das Land. Und wir haben uns sogar mehr verletzt, indem wir uns von etwas abgewandt haben, das uns fast so am Herzen gelegen hat wie die Menschen, die wir geliebt haben."
"Du auch?" flüsterte sie.
Cody lächelte traurig, nickte und wollte noch etwas hinzufügen, da betrat Hazel den Raum. Sie blieb unvermittelt stehen, als sie erfasste, welch wichtiges Gespräch gerade am Feuer stattfand, und verfluchte sich insgeheim für ihr schlechtes Timing.
"Störe ich euch?"
Cody lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lächelte sie an.
"Nur bei einem Gespräch, das zu ernsthaft zu werden drohte", erwiderte er.
"Dann wäre ja ein Brandy jetzt gerade recht." Nachdem Hazel
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