Silbernes Band (German Edition)
lecker.“
Die Nudeln mit Spinat schmeckten vorzüglich, allerdings schaffte Rúna nicht die ganze Portion. „Bin gleich wieder da.“ Sie stand auf und ging zu der engen Wendeltreppe, die zu den Toiletten im Untergeschoss führte. Heiðar pickte sich die übriggelassenen Nudeln aus ihrem Teller und beobachtete, wie sie mit anmutigen Schritten im Untergrund verschwand. Der schöne Herzklang war nur noch schwach zu hören, während ein weiteres vertrautes Pochen an sein Ohr drang. Ausgerechnet Sigrið. Sie balancierte auf schwindelerregend hohen Absätzen die Treppe aus dem oberen Stockwerk herunter, liess dabei den Blick durchs Lokal schweifen. Er unterdrückte mühsam ein genervtes Stöhnen. Da seine Sinne auf Rúna fixiert waren, hatte er nicht bemerkt, dass die Verflossene hier war. Ein paar Erinnerungsfetzen stahlen sich in sein Bewusstsein: Sigriðs Wohnung in der obersten Etage eines modernen Mehrfamilienhauses, die Fahrt im Aufzug nach oben, der Flokati im Wohnzimmer, ihr Schlafzimmer, der Küchentisch, die Rückbank seines Wagens...
Vielleicht bemerkte sie ihn auch nicht, wenn er bloss angestrengt genug auf die Bankastræti hinausblickte. „Hallo Heiðar, schön dich zu sehen!“ Mist - natürlich kam sie an seinen Tisch, schenkte ihm ein hocherfreutes Lächeln, beugte sich zu ihm hinunter, um ihn auf die Wange zu küssen und hüllte ihn in Caramel und blühenden Ginster. Viel zu süss - wie konnte er bloss? „Hallo Sigrið“, presste er notgedrungen freundlich hervor und verzog den Mund zu einer Lächel-Grimasse. Sigrið taxierte interessiert den hellgrauen Mantel, der überm Stuhl hing. „Zweimal Brownies mit Vanilleeis und zwei Kaffee“, orderte Heiðar schnell, als die Kellnerin die leeren Teller abräumte.
Rúnas Herzschlag näherte sich bereits wieder, aber Sigrið machte keine Anstalten zu verschwinden, also musste er die beiden wohl oder übel miteinander bekanntmachen. Sie konnten ein paar Höflichkeiten austauschen und dann würde sie hoffentlich bald abziehen.
„Du bist in Begleitung“, bemerkte sie mit anzüglichem Unterton. „Wer ist denn momentan die Glückliche? Kenne ich sie etwa?“ Heiðar hatte nur Augen für Rúna, die mit konsternierter Miene die letzten Stufen der Wendeltreppe hinter sich brachte. „Da kommt sie, meine Freundin Rúna.“ Sigrið blickte sich neugierig um.
Wer war diese Frau, die bei Heiðar am Tisch stand? Sie war ziemlich gross und schlank, hatte glattes, dunkles Haar, trug ein knallrotes, eng anliegendes Kleid, dazu hohe Absätze, die sie noch grösser wirken liessen. Sie kannte ihn offensichtlich gut und schien sehr interessiert an ihm. Rúna spürte diesen fiesen Stich im Herzen, den man Eifersucht nennt.
„Hübsch, die Kleine“, zwinkerte Sigrið verschwörerisch. Heiðar war der einzige Mann, der auf ihrer Liebhaberskala von Eins bis Zehn eine Zwölf erreichte. Sie hatten ziemlich viel Spass miteinander gehabt, allerdings war Heiðar kein Mann für eine richtige, längere Beziehung. Er konnte sich nicht auf eine Frau einlassen und gab nichts von sich preis. Wenn man diese Tatsache akzeptierte (und das konnte Sigrið), dann hatte man eine Zeit lang fantastischen Sex, viel zu lachen, und man wurde gut behandelt. Er war grosszügig, aufmerksam und zärtlich, respektierte seine Partnerinnen, und er hatte niemals mehrere Beziehungen nebeneinander. Heiðar Kristínarson liess sie jederzeit wieder in ihr Bett.
Rúna hatte den Tisch erreicht. Heiðar stand auf und räusperte sich leise: „Rúna, das ist Sigrið, eine alte Freundin von mir.“ Die Frauen reichten einander die Hand und sagten beide gleichzeitig Hallo. Die Bedienung servierte Brownies und Kaffee, also setzten Rúna und Heiðar sich wieder.
Sigrið sah ein, dass sie hier nicht erwünscht war. Die Kleine war offensichtlich ziemlich eifersüchtig. Zeit für einen stilvollen Abgang: „Schön, dich gesehen zu haben. Ziehen wir mal wieder um die Häuser?“ Er schüttelte tatsächlich den Kopf, „Wohl kaum, aber ich wünsche dir alles Gute.“ Sigrið hob sichtlich irritiert eine Augenbraue und lachte ein kurzes, schrilles Lachen. „Na gut, dann Ciao!“, beugte sich zu ihm hinunter und zielte mit den rot geschminkten Lippen auf seinen schönen Mund, aber er wandte rechtzeitig den Kopf ab. Sigrið blitzte erst ihn enttäuscht an und musterte dann abschätzig die Kleine, der sie diesen peinlichen Auftritt zu verdanken hatte. „Ciao Rúna. Machs gut und viel Spass“, drehte ab und
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