Silbernes Band (German Edition)
stöckelte mit laszivem Hüftschwung zum Ausgang.
Rúna begann schweigend ihren Brownie zu zerpflücken, während Heiðar sich rasch den Lippenstift von der Wange rieb. „Das war deine Ex-Freundin“, stellte sie trocken fest. Er kam aus den unangenehmen Geständnissen nicht heraus: „Ich war zweimal kurz mit ihr zusammen, das erste Mal vor vier Jahren und dann vor einem Jahr nochmal.“ – „Und... wie lange wart ihr jeweils zusammen?“
Warum war sie auch so neugierig? Sie war doch ein Mensch! Aber sie hatte in jedem Fall ein Anrecht auf die Wahrheit: „Beim ersten Mal waren es fünf Wochen und letztes Jahr ein paar Tage.“ Rúna versuchte ungerührt zu klingen: „Und dazwischen gab es noch andere.“ Er atmete hörbar aus, griff nach ihrer Hand und suchte ihren Blick. „Ich hatte nicht ständig jemanden. Es ergab sich einfach manchmal, bei der Arbeit oder wenn ich ausgegangen bin. Ich weiss nicht, ob es gut wäre, wenn ich vor dir noch nie eine Beziehung gehabt hätte.“ - „Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich hatte auch zwei feste Beziehungen und ein paar Flirts. Es wäre bestimmt nicht gut ausgegangen, wenn ich die Erste wäre.“ Sie grinste. So gesehen, hatten ihr seine Affären vermutlich das Leben gerettet. Er wirkte sichtlich erleichtert. „Du weisst, dass es mit dir etwas Besonderes ist. Ich habe nicht vor, dich gegen eine Andere einzutauschen. Ich liebe dich und möchte dich niemals verlieren.“
Sie lächelte versöhnlich. „Hoffentlich ist Fionn zu Hause.“ – „Das werden wir gleich herausfinden.“ Er trank seinen Kaffee in grossen Schlucken, sie schob sich genüsslich den letzten Löffel Vanilleeis in den Mund. „Soll ich dir dabei helfen?“ Seine Gabel kreiste über ihrem Brownie, mit der anderen Hand winkte er die Kellnerin heran. „Haben wir’s eilig? Erwartest du noch mehr Ex-Freundinnen an unserem Tisch?“ Er nickte gequält. „Sigrið hat vorhin gleich zum Telefon gegriffen. Bestimmt informiert sie einige der Frauen, mit denen ich zusammen war. Sie war ziemlich eingeschnappt und will mir auf diese Weise eins auswischen. Es tut mir leid, Rúna.“ – „Ist schon okay. Lass uns so schnell wie möglich verschwinden, diesen Triumph gönnen wir ihr auf keinen Fall!“ Die Kellnerin trat an den Tisch und Heiðar bezahlte. Rúna teilte den Rest ihres Brownies, spiesste die eine Hälfte auf ihre Gabel und fütterte ihn damit. Den letzten Bissen ass sie selbst, spülte mit Kaffee nach und klopfte auf den Tisch. „Lass uns gehen.“
Fionn erwartete sie bereits. „Wie schön, dass ihr mich besucht. Bitte.“ Er wies ins Zimmer, umarmte Heiðar kurz und bedachte Rúna mit einem angedeuteten Handkuss. „Was fällt dir ein!“, zischte Heiðar in lautlosem Gälisch zwischen zusammengepressten Kiefern. „Ich lasse mir nicht verbieten, deine Gefährtin auf angemessene Weise zu begrüssen. Es sei denn, du erklärst deinen Anspruch.“
Rúna kriegte dieses Geplänkel nicht mit, sie fand Heiðars Vater einfach bloss schrecklich altmodisch. Er schien irgendwo im 18. Jahrhundert hängen geblieben zu sein. Dass ihr seine gefährlichen Zähne so nahe kamen, stresste sie seltsamerweise überhaupt nicht. Heiðar beeilte sich, ihr die Jacke abzunehmen, damit sein Vater ihm nicht zuvorkommen konnte. Fionn bat sie ins Wohnzimmer, wo sie sich nebeneinander aufs Sofa setzten, während er sich in den hellen Ledersessel gegenüber gleiten liess.
Heiðar stellte die Schachtel mit den Briefen auf den Tisch und schob sie ihm zu. „Die habe ich in Kristíns Wohnung gefunden. Ich glaube, du solltest sie wiederhaben.“ Fionn lächelte leise. „Ich habe die Schachtel auf deinem Schreibtisch gesehen. Vielen Dank, dass du mir diese Briefe zurückgibst.“ Er hob den Deckel ab, zog einen der Briefe heraus und betrachtete den Umschlag. Zu lesen brauchte er ihn nicht, er kannte den Wortlaut jedes einzelnen. „Leider hat es nichts genützt, sie zu schreiben, Kristín konnte sehr starrköpfig sein.“ Rúna dachte an die Rose auf dem Grab, sah den Schmerz in seinem Gesicht und wie sich ein silberner Tropfen aus dem linken Auge stahl. Er legte den Brief auf den Tisch und fuhr sich mit der Hand durchs blonde Haar.
Sie betrachtete fasziniert das flüssige Silber, das unheimlich langsam über die bleiche Wange kroch. Am liebsten hätte sie die Träne mit dem Finger aufgefangen. Wie von selbst streckte sie ihren Arm aus und legte sachte die Hand auf den marineblauen Pulliärmel. Die liebevolle Geste
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