Silbernes Band (German Edition)
Sie hörte bloss noch ein Tuten, Ulrike hatte bereits aufgelegt.
Eifersucht
Hjalti beobachtete seine Schülerin wohlwollend. Rúna war wirklich ein flotter Käfer. Die langen schlanken Beine steckten in schicken schwarzen Reithosen, die ihren süssen Po schön zur Geltung brachten. Da konnte man(n) glatt ins Träumen geraten. Was sie obenrum zu bieten hatte, liess sich unter dem dicken Wollpullover bloss erahnen. Hjalti strich mit der Hand über den blonden Dreitagebart und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder aufs Wesentliche. Nämlich darauf, ihr Unterricht in der Kappzaumarbeit zu erteilen.
„Nicht so weit nach vorn stehen, Rúna. Du bremst das Pferd.“ Sie bemühte sich, die korrekte Position einzunehmen, während die braune Stute brav im Kreis trabte. „Pass auf! Sie fällt immer an derselben Stelle auf die innere Schulter. Du musst sie besser beobachten, damit du rechtzeitig reagieren kannst.“ Sie nickte stumm und konzentrierte sich darauf, das Abkürzen des Zirkels zu vermeiden. Es klappte schon besser. Hnota schnaubte ab.
Heiðar beobachtete die Szene von der Tribüne aus. Es gefiel ihm gar nicht, wie dieser Hjalti seine Rúna musterte. Am liebsten wäre er in die Halle runtergegangen, um Präsenz zu markieren. Dummerweise war das nicht möglich. Drei Reiter trabten in der Reitbahn um Rúna und Hjalti herum. „Zutritt für Halbwesen verboten!“, nickten ihm die fleissigen Pferdchen zu. Wenn er sich nicht daran hielt, würde er zweifellos eine Panik heraufbeschwören. Leider hatte er auch kein Leuchtbanner dabei, auf dem geschrieben stand „Rúna ist mein!“, das er schwenken könnte. Blöde Idee. Vermutlich würde sie ihm das ziemlich übel nehmen.
Hjalti wollte heute seine Fühler ausstrecken. Mal sehen, ob Rúna Interesse zeigte. Von Björk wusste er, dass sie einen Freund hatte. Der liess sich aber kaum blicken im Stalldorf, er interessierte sich anscheinend nicht für Pferde. Hjalti fuhr sich durchs zerzauste Haar und liess die blauen Augen blitzen. „Treiben!“ Rúna machte einen Schritt rückwärts und suchte die optimale Position. Im Augenwinkel nahm sie wahr, wie er kopfschüttelnd auf sie zukam. „So wird das nichts, meine Liebe.“ Die kräftigen Hände, die sich auf ihre Schultern legten, fühlten sich grob und ungelenk an. Hjaltis Gesicht kam ihr so nah, dass sie seinen heissen Atem auf der Wange spürte. „Ich zeig dir, wo du stehen musst“, raunte er ihr mit rauher Stimme ins Ohr. Die klebrige Nähe war ihr unangenehm, sie versuchte nach vorn auszuweichen.
„Du Schwein!“ Heiðar war drauf und dran, einfach in die Halle hinunterzuspringen. Wegen der anwesenden Reiter sass er hier oben fest und musste mitansehen wie Hjalti seine Rúna begrapschte. Merkte sie denn gar nicht, was der Kerl vorhatte! Ihm entfuhr ein wütendes Knurren.
Rúna versuchte sich weiter zu konzentrieren. Musste Hjalti schon wieder so nah rücken? Jetzt liess er sogar seine rechte Hand über ihren Rücken zur Taille und weiter zum Po gleiten. „Lass dass!“, fauchte sie, fuhr herum und hob drohend die Peitsche. Hnota stoppte brav. Er nahm gleich die Hände weg und schlug betreten die Augen nieder. „Entschuldige bitte. War keine Absicht“, versuchte er mit aufgesetztem Hundeblick zu beschwichtigen. „Mir reichts für heute.“ Sie drückte ihm die Gerte in die Hand und rollte entschlossen die Longe auf, ging dabei auf die braune Stute zu, die immer noch reglos auf dem Zirkel verharrte. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, führte sie das Pferd zum Ausgang. Heiðar hatte bestimmt alles gesehen. Hoffentlich behielt er die Nerven und stürzte sich nicht gleich auf Hjalti.
„Rúna. Warte doch!“ Hjalti joggte ihr durch den Hallensand hinterher und überholte sie, um ihr wenigstens das Tor zu öffnen. Die Gerte segelte achtlos in eine Ecke. Er hätte nicht gedacht, dass sie so empfindlich war. Ein richtiges Prinzesschen „Rühr-mich-nicht-an“.
Heiðar hatte im Eiltempo die Tribüne verlassen und wartete am verschlossenen Tor. Jetzt bloss nicht die Beherrschung verlieren, auch wenn er dieses Schwein am liebsten in Stücke reissen wollte. Der Schwächling schob ächzend das Tor nach oben, damit Rúna das Pferd aus der Halle führen konnte. Die kleine Stute wusste längst, dass er sich im Schatten verbarg und streckte ihm neugierig die Nase entgegen.
Huch, das Raubtier war heute gefährlich! Hnota schnaubte irritiert und wich vorsichtshalber zur Seite aus. „Lass uns gehen, Heiðar.“
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