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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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„Entschuldige bitte. Ich war einfach nur blöd und gedankenlos.“ Vergeblich streckte er die Hand nach ihr aus. Sie liess ihn stehen und musterte die Wände des Grabens, um einen geeigneten Ausstieg zu finden. „Komm, wir springen raus, ich trage dich.“ – „Vergiss es! Ich brauche deine Hilfe nicht.“ Rúna war echt sauer. Natürlich blieb er dicht hinter ihr, falls sie ausrutschte. Den Gefallen wollte sie ihm aber auf keinen Fall machen und kletterte geschickt nach oben. Als ihr Kopf die Kante des Grabens erreicht hatte, blickte sie direkt auf ein paar braune Wanderstiefel und die dazugehörenden langen Beine, die in dunklen Jeans steckten. Eine blasse Hand erschien vor ihrem Gesicht. „Darf ich dir helfen?“ Fionn beugte sich zu ihr hinunter, um sie hochzuziehen. Ob sie seine Hand wegschlagen sollte? Oder sie könnte einmal kurz reinbeissen. Hatte er das etwa nicht verdient? Sie liess es bleiben, um nicht zu riskieren, dass er zurückbiss, ignorierte die helfende Hand aber geflissentlich.

    „Du bist ganz schön starrsinnig.“ Er rückte etwas zur Seite, damit sie Platz hatte um sich hochzuhieven. Rúna versuchte auszusehen, als sei das ein Klacks und unterdrückte tapfer ein Keuchen, doch Fionn liess sich nicht täuschen. „Erlaubst du?“ Seine Hände schlossen sich kaum spürbar um ihre Oberarme, dann schwebte sie über die Kante der Schlucht und wurde sanft auf die Füsse gestellt. Sein Griff löste sich sofort wieder, um sie nicht länger als notwendig anzufassen. Direkt hinter ihr sprang Heiðar aus dem Graben. Er fürchtete ihren Zorn, umarmte sie bloss ganz zaghaft. Zu Recht, sie wand sich aus seinen Armen und stapfte mit abweisender Miene voraus. Im Gegensatz zu Heiðar schien sich Fionn kein bisschen zu schämen, aber immerhin gab es eine höfliche Entschuldigung: „Verzeih bitte unseren Übermut. Es war nicht unsere Absicht, dich zu ängstigen. Ich verspreche dir, dass ich Heiðar niemals etwas antun werde. Es sei denn, er verrät das Geheimnis.“

    Sie horchte auf, obwohl sie eigentlich lieber noch etwas die Beleidigte spielen wollte. „Du trägst also genauso die Verantwortung für ihn, auch wenn er kein Mensch ist?“ – „Die Verantwortung beschränkt sich nicht bloss auf Menschen, die in das Geheimnis eingeweiht werden. Da Heiðar mein Sohn ist, betrachte ich ihn als mein Geschöpf, obwohl er auf eine andere Weise zustandegekommen ist.“ Fionn lächelte vielsagend. „Verwandelt ein Unsterblicher einen Menschen, so trägt er automatisch die Verantwortung für sein Geschöpf, denn junge Unsterbliche darf man auf keinen Fall sich selbst überlassen. Durch ihre anfängliche Unbeherrschtheit stellen sie eine grosse Gefahr für das Geheimnis dar. Der Schöpfer muss sich also adäquat um sein Geschöpf kümmern.“ Sie runzelte leicht die Stirn. „Aber das konntest du ja gar nicht, weil du ihn bloss heimlich besuchen durftest.“ – „Kristín hat diese Aufgabe übernommen. Heiðar wusste schon sehr früh, dass er sich den Menschen anpassen muss. Leider musste er sich etwas zu sehr anpassen, dadurch war das Geheimnis letztendlich doch wieder in Gefahr. Kristín hat es zum Glück realisiert, bevor ein Unglück geschah.“

    Heiðar musterte seinen Vater, während sie langsam zum Wagen zurückgingen. „Du weißt nichts über den Zwischenfall, als ich zwölf Jahre alt war?“ Fionn hob gespannt die Augenbrauen. „An meiner Schule war ein Typ, der es auf Schwächere abgesehen hatte. Eines Tages konnte ich nicht mehr länger dabei zusehen und habe ihn aufgefordert damit aufzuhören. Wir haben uns auf dem Schulhof geprügelt, und dabei habe ich ihn in die Wange gebissen. Es hat ziemlich geblutet, er musste hinterher ins Krankenhaus, um die Wunde nähen zu lassen. Die Narbe trägt er heute noch. Aber immerhin hat er aufgehört, die anderen Kinder zu piesacken. Mich hat man für zwei Wochen von der Schule verwiesen. Mama war damals schrecklich traurig und furchtbar nervös. Ich glaube, sie hatte Angst, du könntest von der Sache erfahren.“ Fionns Miene blieb unbewegt. „Nun, das war tatsächlich riskant, mein Sohn. Aber anscheinend hat niemand Verdacht geschöpft.“

    Rúna griff nach Heiðars Hand. Ihren Ärger hatte sie längst vergessen. „Also ich hab das auch schon gemacht. Damals war ich Sieben. Ein Junge aus unserer Nachbarschaft hat mich ständig getriezt. Einmal machte er mich so wütend, dass ich mich auf ihn stürzte, und wir haben uns tüchtig gekloppt. Er war grösser

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