Silbernes Band (German Edition)
kehrte er mit tropfnassen Locken ins Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen. Sein Bett war bereits gemacht, die Kissen sorgfältig aufgeschüttelt, die Daunendecke glattgestrichen. Aus der Küche lockte der Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Das hatte gerade noch gefehlt: Von seinem Vampir-Vater betüddelt zu werden!
Der Küchentisch war liebevoll gedeckt. Da stand eine Schüssel mit Müsli, daneben heisser Toast, Butter, Marmelade und das Morgenblatt. Fionn war dabei, Kaffee in seinen Lieblingsbecher zu giessen. „Hör mal. Es ist wirklich aufmerksam von dir, wenn du Frühstück machst, aber ich will nicht, dass du dich auf diese Weise um mich kümmerst. Ich lebe seit Jahren allein und komme prima zurecht.“ Heiðar nahm stirnrunzelnd den Kaffeebecher entgegen und warf sich auf seinen Stuhl. „Du solltest etwas mehr Sorgfalt auf die Führung deines Haushalts legen. Und es ist wichtig, dass du ein richtiges Frühstück zu dir nimmst.“ – „Du solltest dich nicht in Dinge einmischen, die dich nichts angehen.“ Heiðar nahm missmutig einen Schluck Kaffee. Fionn setzte sich zu ihm. Sie schwiegen, während Heiðar sich über das Müsli hermachte. Es schmeckte genauso lecker, wie es aussah. Fionn hatte einen Apfel und eine Banane reingemacht, ausserdem den Saft einer Orange und gemahlene Haselnüsse. Zeit für ein paar versöhnliche Worte: „Das schmeckt wirklich gut. Wenn man bedenkt, dass du ein Unsterblicher bist.“ In Fionns Gesicht ging die Sonne auf.
„Sehen wir uns heute Abend?“ – „Klar. Du musst unbedingt von der Französischen Revolution erzählen.“ – „Sehr gerne. Acht Uhr? Ich verspreche, dass ich nicht für dich koche. Und ich gehe anschliessend ins Hotel.“ – „Abgemacht.“ Heiðar nahm sich eine Scheibe Toast.
Fionn stand wieder pünktlich um Acht auf der Matte. Heiðar nutzte seine Chance, ihn mit Fragen über historische Ereignisse zu löchern. Dabei sprachen sie schnell und lautlos, aber immerhin Isländisch. Für Heiðar war es anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, sich auf diese Weise mit Fionn zu unterhalten, doch er hatte keine Probleme ihm zu folgen.
„Was hältst du von der Theorie, wonach der Ausbruch des Laki von 1783 dazu beigetragen hat, dass die französische Revolution ins Rollen kam?“ – „Da besteht in jedem Fall ein Zusammenhang. Der Vulkanausbruch hatte grossen Einfluss auf Wetter und Klima. Die Folge waren Missernten und Hunger in vielen Teilen der Erde. Der Hunger schürte den Unmut des Volkes.“ – „Nicht zu vergessen, die hohe Steuerbelastung.“ – „Eine grosse Ungerechtigkeit. Adel und Klerus waren von Abgaben befreit, während der dritte Stand unter der Steuerlast ächzte. Die Steuereintreiber waren skrupellos und grausam. Wir Unsterbliche machten uns einen Sport daraus, sie zu jagen und im Gegenzug Blutzoll zu fordern. Zudem galt es als schick, seine Opfer in adligen Kreisen zu suchen. Einer meiner unsterblichen Freunde gehörte damals zum Hofstaat des Königs. Versailles war so etwas wie sein bevorzugtes Jagdrevier. Hin und wieder leistete ich ihm Gesellschaft auf seinen Beutezügen. Ich erinnere mich an einige vorzügliche Hofdamen.“ Heiðar verzog das Gesicht. „Müssen wir unbedingt davon sprechen?“ - „Verzeih mir. Ich vergass völlig, dass wir nicht dieselben Jagdpräferenzen haben.“ – „Ich glaube kaum, dass du jemals etwas vergisst. Aber lassen wir das. Erzähl mir lieber von dieser Vampir-Organisation. Wie ist sie entstanden?“ – „Korrekt wäre Europäische Gesellschaft der Unsterblichen. Die Bezeichnung „Vampir“ ist eine irreführende Wortschöpfung der Sterblichen und keine offizielle Bezeichnung.“ – „Mama sagte mir damals, du wärst ein Vampir, was sprachwissenschaftlich auf ein geflügeltes oder gefiedertes Wesen hindeuten würde. Aber ich nehme nicht an, dass du fliegen kannst. Ich hab’s jedenfalls noch nie geschafft...“ Sie lachten. „Für deine Mutter war ich schon immer ein Vampir, sie konnte sich nie mit dem Begriff „Unsterblicher“ anfreunden. Ich nehme es ihr nicht übel.“ – „Wenn du ein Unsterblicher bist, was bin ich dann? Halb-Unsterblicher klingt ziemlich dämlich.“ – „Für mich bist du ein Halbwesen. Ich denke das trifft es am ehesten.“ Heiðar zuckte die Schultern. „Okay – immer noch besser als Blutsauger.“ – „Möchtest du nun mehr über die Gesellschaft der Unsterblichen hören?“ – „Gerne, schiess los.“
„Inspiriert durch die Französische
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