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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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die Sekunde pünktlich. Eine einsame schwarze Socke flog unters Sofa, dann spurtete Heiðar zur Tür um zu öffnen. „Schön, dass du da bist! Komm rein.“ Sein Vater trat lautlos über die Schwelle, dann umarmten sie sich flüchtig. In diesem kurzen Moment fühlte Heiðar wieder diese angenehme Wärme und ein Gefühl von Geborgenheit. Fionn streifte selbstverständlich die Schuhe ab und hängte seine marineblaue Barbour-Jacke an die Garderobe, als ob er das schon oft getan hätte. Heiðar ging ihm ins Wohnzimmer voraus, wo sie sich auf das einladende, hellbraune Sofa setzten. „Du hast aufgeräumt“, stellte Fionn schmunzelnd fest. „Bei meinem gestrigen Besuch war es nicht halb so ordentlich.“ – „Du brauchst mich nicht darauf hinzuweisen. Kristín hat jahrelang vergeblich versucht, mir etwas Ordnungssinn beizubringen. An meiner Neigung zum Chaos wirst auch du nichts ändern können.“ Fionn bückte sich, griff unters Sofa und brachte die einsame Socke zutage. „Die hast du vergessen.“ – „Gib her.“ Heiðar nahm das Ding an sich und warf es auf den Sessel gegenüber.

    „Ich nehme nicht an, dass ich dir etwas anbieten kann“, stellte Heiðar fest. „Vielen Dank, ich habe heute schon getrunken.“ So wie Fionn das sagte, klang es absolut selbstverständlich. Heiðar war irritiert. „Du meinst, du warst heute auf der Jagd?“ - „Nein. Meine letzte Jagd liegt ein paar Tage zurück. Vor meiner Abreise nach Island habe ich mir diesen britischen Jungschauspieler geholt, von dem alle Welt glaubt, er wurde entführt. Sein Blut war definitiv besser als seine schauspielerischen Fähigkeiten.“ - „Sei still! Ich will das nicht hören!“ Fionn nahm Heiðars offensichtliche Abscheu verwundert zur Kenntnis. „Du jagst nicht auf traditionelle Weise?“ - „Nein. Ich trinke kein menschliches Blut, das könnte ich Mama nicht antun.“ - „Dann verzeih meine Direktheit. Ich wollte bloss deine Frage wahrheitsgemäss beantworten.“ Heiðar nickte versöhnlich. „Und was hast du heute getrunken, wenn du doch gar nicht auf der Jagd warst?“ - „Es gibt noch andere Möglichkeiten, um an menschliches Blut zu kommen. Die Unsterblichen sind sehr gut organisiert und betreiben eigene Blutbanken, wo man Spenderblut beziehen kann. Natürlich ist es nicht dasselbe, es geht nichts über frisches, warmes Blut von der Quelle. Ich gönne mir das alle paar Wochen und möchte keinesfalls darauf verzichten.“ Er sagte das völlig ruhig, als würde er über den gelegentlichen Genuss seiner bevorzugten Whiskey-Marke sprechen.

    Fionn musterte ihn neugierig. „Du ernährst dich von Tierblut?“ - „Ja. Ich fahre etwa alle zwei Wochen aufs Land und jage da ein paar Schafe, manchmal auch ein Rentier oder ein schwaches Fohlen. So komme ich ganz gut über die Runden.“ Fionn hatte nichts darauf zu erwidern, doch in seinem Gesicht lag eine Spur Mitleid.

    Was für ein seltsames Gespräch, dachte Heiðar. „Diese Blutbanken...“, er suchte zögernd nach den richtigen Worten, „Die Menschen, die da ihr Blut spenden... Wissen sie, für wen es bestimmt ist?“ – „Blut spenden rettet Leben“, erwiderte Fionn mit einem Anflug von Sarkasmus. „Nein, das muss natürlich geheim bleiben. Aber stell dir vor, wie viele Sterbliche auf diese Weise verschont bleiben. Die Blutkonserven sind praktisch, wenn man keine Möglichkeit zur Jagd hat, und sie erleichtern das Leben unter Sterblichen. Wenn ich gar keine andere Wahl habe, trinke ich schon mal Tierblut, aber ich finde, es schmeckt einfach scheusslich. Vor allem dieses furchtbare Schafsblut. Leider wurde mir das damals zum Verhängnis. Ich konnte mich nicht daran halten, was ich zutiefst bedaure.“ – „Ja, das bedaure ich auch“, seufzte Heiðar. „Ich hätte mir sehr gewünscht, dass du für mich da gewesen wärst. Ich habe jeden Tag an dich gedacht und mich gefragt, wer du bist, ob du überhaupt noch lebst. Es war verdammt schwer. Ich wusste lange nicht, dass du ein Vampir bist, und verstand nicht, was mit mir los ist. Als der Blutdurst immer stärker wurde, habe ich mehr als einmal daran gedacht Schluss zu machen. Ich befürchtete, dass ich ausrasten und jemanden töten könnte. Es blieb mir bloss mich zurückzuziehen. Deshalb war ich oft allein, habe mich in meinem Zimmer verschanzt oder bin raus aufs Land geflüchtet. Es war eine Erleichterung, als Kristín mir endlich sagte, was du bist. Damals habe ich angefangen Tiere zu jagen und führe seither ein relativ

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