Silbernes Band (German Edition)
Sonderpreis besorgt.“
Kristín strahlte, als die beiden sich zärtlich auf den Mund küssten. Was für ein nettes Mädchen! Hoffentlich konnte sie etwas zum Glück der beiden beitragen. „Aber eins musst du ihm noch abgewöhnen“, sie hielt verschwörerisch eine Hand an den Mund: „Er ist furchtbar schlampig. Lässt immer seine Sachen rumliegen. Ich hoffe, du kannst ihm Beine machen. Mir ist es leider nicht gelungen.“ – „Keine Sorge. Ich bin es gewohnt, konsequent zu sein. Bei meinem Pflegepferd funktioniert das ganz gut. Das schaff ich bei Heiðar bestimmt auch.“ Kristín stimmte in Rúnas glockenhelles Lachen ein, während Heiðar Entrüstung mimte. „Ich glaube, ich muss mir das nochmals überlegen, ich bin doch kein Pferd!“ Rúna hielt sich kichernd den Bauch: „So gross sind die Unterschiede doch gar nicht! Ich finde dich mindestens so süss wie meine Hnota.“ Er stahl sich noch einen Kuss. „Na gut. Solange du mich nicht in einen Stall sperrst und mit Heu fütterst...“
Kristíns herzliches Lachen ging in trockenes Husten über. Rúna half ihr zu trinken. Nach drei Schlucken liess sich Kristín erschöpft in die Kissen fallen und strich über den Turban, als ob sie ihr Haar zurückstreifen wollte. „Als Reiterin bist du bestimmt oft an der frischen Luft. Heiðar zog es schon als kleinen Knirps hinaus in die Natur. Egal ob es stürmte oder schneite – er wollte draussen sein. Wir haben immer sehr viele Ausflüge aufs Land gemacht.“ Rúna nickte. „Mich schreckt schlechtes Wetter auch nicht ab, ausser wenn ich in dichten Nebel gerate, so wie vorhin. Das fand ich nicht so toll.“ – „Ja, das kann ganz schön gefährlich sein. Aber mit Heiðar an deiner Seite kann dir auch im dicksten Nebel nichts passieren. Er kann sich prima orientieren.“ – „Diesen Eindruck hatte ich auch...“ Rúna hätte zu gerne über Heiðars Besonderheiten gesprochen, scheute sich aber, in seinem Beisein davon anzufangen. „Du stammst aber nicht aus Reykjavík? Das ist ein Akzent aus dem Norden, nicht wahr?“ – „Ich bin in Akureyri aufgewachsen, in einer deutsch-isländischen Familie. Mit meiner Mama spreche ich eigentlich immer Deutsch und mit meiner Schwester wie’s grade kommt. Wir sprechen oft einen fürchterlichen Kuddelmuddel. Papa verdreht dann bloss noch die Augen. Er nennt es „Deutsländisch“ und meint, wir sollten ihm bei Gelegenheit ein Wörterbuch schenken, damit er uns versteht.“ Es fühlte sich an, als würden sie sich schon lange kennen. Die gelöste Stimmung im Krankenzimmer hatte den lauernden Tod vorläufig vertrieben.
„Kannst du mir einen Gefallen tun, mein Liebling? Ich brauche dringend ein paar Sachen von zu Hause. Fährst du schnell rüber und holst sie?“ Kristín blickte ihren Sohn erwartungsvoll an. „Rúna leistet mir bestimmt Gesellschaft, bis du zurück bist.“ Sie warf ihr einen bittenden Blick zu. „Natürlich, gerne“, versicherte Rúna, sie hatte den Wink verstanden. Heiðar wusste ebenfalls, woher der Wind wehte. „Klar. Was brauchst du denn?“ – „Bring mir doch bitte meine graue Strickjacke und den Roman von Pálina Helgadóttir, den mit dem orangen Einband.“ Sie hatte das Ganze offensichtlich sorgfältig geplant. „Bis bald, mein Schatz.“ Er gab Rúna einen Kuss auf die Wange und verliess rasch das Zimmer.
Sie schwiegen einen Moment. Kristín seufzte, suchte Rúnas Blick und griff nach ihrer Hand. Die Berührung fühlte sich trocken und welk an, aber ihre Haut hatte eine normale, menschliche Wärme. „Ich möchte nicht lange um den heissen Brei reden, wir haben nicht viel Zeit. Du hast bestimmt bemerkt, dass mein Sohn anders ist, dass er ein Geheimnis hat.“ Rúna nickte stumm. „Er liebt dich wirklich sehr, und er fürchtet, dich zu verlieren, wenn du sein Geheimnis entdeckst. Ich würde dir zu gern sagen, was mit ihm los ist, aber ich darf es nicht.“
So einfach war es also nicht, dachte Rúna enttäuscht. „Was soll ich tun? Ich habe schon verschiedene Dinge bemerkt. Auf unserer Wanderung heute sind wir an einem Elfenhügel vorbeigekommen... Eigentlich glaube ich nicht an Elfen“, ergänzte sie rasch, „Aber, als Heiðar... nun...“ – „Er ist wohl zu dicht an sie herangegangen und musste dafür büssen“, erwiderte Kristín gleichmütig, verzog dabei das Gesicht, als ärgerte sie sich über die Ungezogenheit ihres erwachsenen Sohnes. Ermutigt durch ihre Reaktion sprach Rúna weiter: „Ich fürchte, ich könnte auf
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