Silbernes Band (German Edition)
ihre Hand, die er nie mehr loslassen wollte. Sie brauchten keine Worte, im Moment war alles gesagt. Sie waren Rúna und Heiðar, sie liebten sich. Es könnte so einfach sein.
Der ausgetretene Pfad wurde zu einem schmalen Graben, so dass sie hintereinander gehen mussten. Heiðar sah den Hügel mit seinen eigentümlichen Steinformationen schon von weitem. Zwanzig Meter entfernt hob er Rúna aus dem Graben, auf die rutschige, unebene Wiese.
„Was ist? Warum weichst du aus?“ – „Hier leben Elfen. Ich kann mich ihnen nicht nähern.“ – „Das glaubst du doch nicht im Ernst?“ Sie versuchte stehenzubleiben, aber er zog sie einfach weiter über die bucklige Wiese, hielt sie ungewöhnlich fest. „Was soll dieser Quatsch? Ist das wieder so eine geheimnisvolle Anspielung, um mich noch mehr zu verwirren? Und am Ende willst du mir doch nichts erzählen? Du nervst!“
Er blieb stehen und liess ihre Hand los. „Du glaubst mir nicht?“ – „Nein, tut mir leid. Ich glaube nicht an Elfen.“ Ohne ein weiteres Wort balancierte er geschickt auf den Steinhügel zu. Als er noch drei oder vier Meter davon entfernt war, krümmte er sich plötzlich zusammen und presste seine Hände an die Schläfen. „Spinner“, entfuhr es ihr. Heiðar stemmte sich gegen den Schmerz und versuchte noch zwei Schritte näher an den Hügel heranzukommen. „Du kannst aufhören, ich glaube dir, dass du ein begnadeter Schauspieler bist!“, rief sie ihm kopfschüttelnd zu. Aber er hörte nicht auf, sondern sank zwischen den flechtenbewachsenen Buckeln auf die Knie und hielt sich weiter den Kopf. Sie bekam es mit der Angst, er schien tatsächlich grosse Schmerzen zu haben. „Heiðar! Komm da weg!“ Sie hüpfte über die glitschigen Grashügel, über den schmalen Graben, rutschte dazwischen ab, fing sich auf und hetzte weiter, sah jetzt ganz deutlich die Qual in seinem Gesicht, wie er mit zugekniffenen Augen und zusammengebissenem Kiefer standzuhalten versuchte. „Tut mir leid! Bitte komm da weg, ich glaube dir.“ Sie fasste ihn an den Schultern, um ihn wegzuzerren, konnte zwar keine Elfen sehen, fühlte aber unbändige Kräfte, die hier gegeneinander angetreten waren. Er riss sich los und sprang wie ein Hecht aus der Gefahrenzone, rollte geschmeidig über die rechte Schulter ab und blieb einen Moment auf einem grossen Grasbuckel liegen, bevor er sich grinsend aufsetzte und sich durchs Haar fuhr: „Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass die Elfen mich nicht mögen, oder ob ich einfach besonders sensibel bin.“ Rúna war ihm gefolgt und setzte sich zu ihm. „Kannst du sie sehen?“ – „Nein, jemandem wie mir zeigen sie sich nicht.“ – „Und warum nicht? Warum glaubst du, dass die Elfen dich nicht mögen?“ Er schlug die Augen nieder und holte tief Luft. „Die Elfen wissen, was ich bin und wollen sich schützen.“ Die Alarmglocke schrillte. Rúna wusste, dass sie sich unbedingt ein paar Gedanken machen musste, aber sie wollte jetzt nicht, das überforderte sie. Es war einfacher, die Glocke durch einen Witz zum Schweigen zu bringen.
„Oh, bestimmt sind alle Elfenfrauen ganz verrückt nach dir, und die Elfenmänner versuchen verzweifelt dich abzuhalten!“ Sie lachte und wollte ihn küssen, aber er entzog sich ihr. „Rúna, du solltest dich diesen Dingen öffnen, auch wenn du nicht daran glaubst. Es ist wichtig, dass du es versuchst, dann wird es mir leichterfallen, mich dir anzuvertrauen.“
Sie standen auf, verfielen wieder in Schweigen, stiegen Hand in Hand den Hügel hinunter, um zum Fluss zu gelangen. Rúna nahm sich etwas Zeit, über seine Worte nachzudenken. Er hatte Recht, sie konnte nicht länger so tun, als wäre alles nur ein bisschen komisch. Dieser Mann war mehr als ein Mensch. Das war beängstigend, sie fühlte sich hilflos.
Am Fuss des Hügels mussten sie eine Furt durchqueren. Das knietiefe Wasser hatte leichte Strömung. „Ich trag dich rüber.“ Rúna protestierte nicht, als er sie vorsichtig hochhob, dann mit sicherem Tritt einen Weg durchs Flussbett suchte. Sie schlang ihm die Arme um den Hals, kraulte zärtlich seinen Nacken und schmiegte sich an die blaue Wolle seines Pullovers. Er trug sie, als sei sie eine Feder, ihr Gewicht schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Am anderen Ufer setzte er sie behutsam ab und küsste sie. Ein langer, zärtlicher Kuss, eine Bitte um Verständnis und Liebe, trotz allem.
Bald erreichten sie den gewaltigen Flusslauf der Þjórsá und folgten ihm auf schwarzen,
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