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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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Sie eilte ihm hinterher: „Tut mir leid. Ich hätte dich nicht bitten sollen mitzukommen. Vielleicht ist der Abstand von der Tribüne gross genug. Komm doch rüber, wenn du Lust hast, dir die Reitstunde anzusehen.“ Er rieb sich angespannt die Stirn. „Mal sehen. Du solltest jetzt gehen, sonst kommst du zu spät.“ Sie nickte, warf ihm noch einen besorgten Blick zu und liess ihn allein.

    Rúna musste sich beeilen. Also kurz mit der Bürste übers braune Fell streichen, flink die Hufe auskratzen, Sattel drauf, Trense, Helm und Gerte. Nachdem sie den Sattelgurt nochmals nachgezogen hatte, sass sie auf und töltete rasch zur Reithalle. Ihr blieb jetzt keine Zeit, über die Sache mit den Pferden nachzudenken.

    Heiðar kämpfte noch einen Moment mit sich, bevor er ihr in gebührendem Abstand folgte. Er wollte es zumindest versuchen. Es gab einen separaten Eingang, der direkt zur Tribüne führte. Wenn er sich ganz nach oben setzte, sollte es gehen.

    Doddi, der Reitlehrer, sowie drei weitere Reitschüler befanden sich bereits in der grosszügigen Halle. Rúna blickte suchend zur Tribüne – Heiðar war tatsächlich da! Er sass in den Zuschauerrängen ganz oben. Sie winkte ihm zu, er hob kurz die Hand, dann musste sie sich konzentrieren, die Stunde begann. Doddi war ein strenger Lehrer, dem einfach gar nichts entging.

    Heiðar war erleichtert, dass die Pferde ihn auf diese Entfernung nicht als Bedrohnung wahrnahmen. Nicht auszudenken, wenn sie jetzt durchdrehten und womöglich ein Unglück geschah. Auf der Tribüne etwas weiter unten befanden sich zwei weitere Zuschauer: Eine junge Frau mit hellbraunem Zopf. Neben ihr – oder besser, beinahe auf ihr - sass ein braunhaariger Mann. „Lass uns rausgehen, mein Zuckerschneckchen. Ich weiss da ein schönes Plätzchen, wo wir ungestört sind.“ Die junge Frau setzte sich weiter rüber, worauf der aufdringliche Verehrer einfach nachrückte.

    „Das ist bestimmt dieser Gunnar“, dachte Heiðar, „es sei denn, alle männlichen Vereinsmitglieder sind von dieser Sorte.“ Der Typ flüsterte der jungen Frau weitere Anzüglichkeiten ins Ohr, was sie mit angewiderten Blicken quittierte. Heiðar, der jedes Wort mitkriegte, überlegte, ob er runtergehen sollte, um sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien.

    „Komm, hab dich nicht so. Du willst mich doch auch!“ Der üble Kerl begann die Frau zu begrabschen. Ihre Antwort war eine schallende Ohrfeige. „Hau ab, du Schwein!“ Die junge Frau blitzte ihn wütend an, bereit eine weitere Ohrfeige auszuteilen. „Blöde Kuh!“ Der lüsterne Kerl erhob sich mit hochrotem Kopf und verliess schnurstracks die Tribüne. Heiðar folgte ihm lautlos nach draussen. „Gunnar!“ Volltreffer, der Typ drehte sich nach ihm um. Heiðar legte ihm die Hand auf die Schulter und fixierte ihn mit durchdringendem Blick. „Lass los, was willst du überhaupt!“ raunzte der Festgehaltene aufgebracht. Heiðar überlegte, ob er ihm die Kehle herausreissen oder zumindest den Kiefer brechen sollte. Aber es gab eine bessere Möglichkeit, diesem Lustmolch eine Lektion zu erteilen. Er packte Gunnar am Hemd, sah ihm tief in die Augen und bannte ihn. „Du wirst nie mehr jemanden belästigen. Und du wirst dich vor allem von Rúna fernhalten. Wenn du das nicht tust, passiert etwas Schreckliches!“ Heiðar entblösste sein kräftiges Gebiss und stiess ein warnendes Knurren aus, bevor er seinen Blick löste und Gunnar grob wegschubste. Gunnar stolperte mit angstverzerrtem Gesicht davon, ohne zu wissen, wovor er sich fürchtete. Heiðar ging zurück in die Reithalle und setzte sich wieder auf die Tribüne. Der ganze Reitverein würde sich noch über Gunnars plötzliche Wandlung wundern.

    Rúna war eine ausgezeichnete Reiterin, soweit Heiðar das beurteilen konnte. Er sah fasziniert zu, wie sie Runde um Runde im taktklaren Tölt drehte, dazwischen komische Figuren einbaute und die Richtung wechselte. „Und angaloppieren!“ Auf das Kommando des Reitlehrers fielen die vier Pferde in den Galopp. Zum Schluss der Stunde durften sie im Trab entspannen. Nach einer kurzen Schrittphase hielten die Reiter auf der Mittellinie an und stiegen vom Pferd. Rúna bedeutete Heiðar, dass er zum Stall rübergehen sollte. Er wartete fünf Minuten, bevor er die Tribüne verliess, um einen möglichst grossen Abstand zu den Pferden einzuhalten, die zu den Ställen zurückgeritten wurden. Rúna hatte ihre Stute bereits ins Stallgebäude geführt, also ging er zum Wagen, um dort

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