Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
gespeist, daß es deine
Wahrnehmung trübt?«
Aidan stand auf und erwiderte den
forschenden Blick seines Gasts. Valerian war alt nach den Maßstäben von
Vampiren, seine Verwandlung hatte irgendwann im vierzehnten Jahrhundert
stattgefunden. Er war ein prächtiges Ungeheuer, das zu imponierenden
Zurschaustellungen seiner Macht neigte. Doch nur die Törichten zeigten Furcht
in seiner Gegenwart.
Wenn Valerian Feigheit spürte, wurde
er gefährlich verspielt, wie eine Katze, die eine Maus zwischen ihren Krallen
hält.
»Ein bißchen Selbstbetrachtung wird
mir ja wohl noch gestattet sein«, sagte Aidan, schenkte sich einen Cognac ein
und hob das Glas in einem spöttischen Toast, obwohl er gar nicht trinken
konnte. »Ich dachte gerade daran zurück, auf welche Weise ich in den Stand eins
Dämonen erhoben wurde.«
Valerian lachte, nahm Aidan das Glas
aus der Hand und schüttelte den Inhalt ins Feuer. »In den Stand eines Dämonen,
hm? Haßt du uns so sehr, Aidan?«
»Ja!« stieß Aidan hervor. »Ja! Ich
hasse dich, ich hasse Lisette, und am meisten hasse ich mich selbst.«
Valerian gähnte. »Du wirst
allmählich etwas langweilig, mein Freund, mit deinem ständigen Gewinsel über
das, was du bist. Wann wirst du akzeptieren, daß du es für den Rest aller
Zeiten sein wirst? Warum findest du dich nicht endlich damit ab?«
Aidan kehrte seinem Gefährten den
Rücken zu, trat vor eins der Bücherregale und ließ seine Hand leicht über die
ledergebundenen Ausgaben gleiten, die er so liebte. »Es gibt einen Weg, den
Fluch zu beenden«, sagte er mit Entschiedenheit. »Es muß einfach einen solchen
Weg geben.«
»Oh, natürlich gibt es den«, stimmte
Valerian heiter zu. »Du brauchst nur einem Sterblichen zu verraten, wo dein
Versteck ist, und dir von ihm einen spitzen Holzpfahl ins Herz treiben zu
lassen, während du schläfst. Oder such dir eine Silberkugel und erschieß dich.«
Er erschauerte, seine Stimme nahm einen verächtlichen Tonfall an. »Beide
Schicksale sind allerdings nicht sehr wünschenswert, befürchte ich. Es sind
schreckliche Todesarten, Aidan, und was danach kommt, ist sogar noch schlimmer,
sowohl für uns als auch für Sterbliche.«
Aidan wandte sich nicht von den ledergebundenen
Tagebüchern ab, die er im Laufe zweier Jahrhunderte geschrieben hatte. Seine
Niederschriften bewahrten ihn davor, den Verstand zu verlieren, und würden der
Geschichte einmal — so hoffte er — eine andere Perspektive verleihen. Er hatte
sein ganzes Leben in diesen Büchern beschrieben.
»Ich kann auf deine Lektionen
verzichten, Valerian. Wenn du mir nichts anderes zu sagen hast, dann geh jetzt
bitte.«
Valerian seufzte philosophisch, ein
sicheres Zeichen, daß er zu einer ausgedehnten Predigt ansetzte. Doch diesmal
überraschte er Aidan, indem er schlicht erwiderte: »Lisette ist wieder
unterwegs, mein Freund. Sei vorsichtig.«
Aidan drehte sich langsam zu
Valerian um. Als er genug gelernt hatte, um ein selbständiger Vampir zu sein,
und Lisettes Aufmerksamkeiten entschieden zurückwies, war sie zuerst sehr
beleidigt gewesen und hatte ihm lange gezürnt, um sich schließlich in ein ihm
unbekanntes Versteck zurückzuziehen. Ab und zu kam sie daraus hervor, um ihren
gewohnten Beschäftigungen nachzugehen, doch Aidan hatte sie schon seit Jahren
nicht mehr belästigt. Er machte sich ihretwegen nur noch selten Sorgen, obwohl
Valerian und Maeve ihn oft für seine Unvorsichtigkeit schalten.
»Sie hat mich längst vergessen«,
sagte er. »Ich war nur eine ihrer zahlreichen Eroberungen.«
»Du machst dir etwas vor«,
entgegnete Valerian ernst. »Lisette hat viele Liebhaber gehabt und viele
Vampire geschaffen, aber du warst der einzige, der es je wagte, sich ihren
Forderungen zu widersetzen und sie abzuweisen. Es ist ein Wunder, daß du noch
existierst, und ich weiß wirklich nicht, warum ich versuche, dich zu schützen,
wenn du letztendlich doch bloß sterben willst.«
Aidan ergriff mit beiden Händen
Valerians seidene Rockaufschläge. Er fürchtete nicht um sich selbst, aber er
hatte Angst um Maeve und diese Frau, Neely. »Hast du Lisette gesehen?« fragte
er barsch. »Verdammt, hör auf, wie die Katze um den heißen Brei zu schleichen,
und sag mir, was du weißt!«
Valerian schüttelte Aidans Hände ab.
»Ich hatte nicht das Pech, Lisette zu begegnen«, antwortete er mit düsterer
Würde, »aber andere haben sie gesehen. Sie ist schwach und jagt nur selten, wie
ich hörte, doch trotz allem hat sie sich aufgerafft, und
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