Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
eines Berges bricht.
Seine Muskeln waren wieder flexibel;
er richtete sich auf der hölzernen Bahre auf und stieß Lisette mit einer
Bewegung seines Arms beiseite.
»Was hast du getan?« keuchte er,
denn die Freude, die ihn von innen her erfüllte, war von der Art, wie normale
Sterbliche sie niemals erfahren würden. Sie war düster und böse, und obwohl er
Lisette am liebsten fortgeschleudert hätte, griff er doch nach ihr und
klammerte sich an ihr fest. »In Gottes Namen, Lisette — was für eine Kreatur
bist du, und was hast du mit mir gemacht?«
Lisette hob schützend die Arme, als
wollte er sie schlagen. »Sprich nie wieder den Namen des Allerhöchsten aus — es
ist verboten!«
»Sag es mir!« brüllte Aidan.
Ein Rascheln ertönte hinter der Tür
der Totenkammer, Schritte erklangen und Stimmen.
Lisette trat an Aidans Seite. Ihr
Geist erfüllte den Raum, wirbelte in ihm herum wie ein unsichtbarer Sturm und
verschluckte ihn. Als Aidans Bewußtsein zurückkehrte, befand er sich in einem
feuchten Gewölbe mit kalten Steinwänden.
Er lag wieder auf dem Rücken,
diesmal auf einer Art Altar. Im flackernden Schein von einem Dutzend Kerzen
erblickte er Lisette, die zu seinen Füßen aufragte wie ein furchtbarer Racheengel.
»Bitte«, sagte er in einem rauhen
Wispern. »Sag mir, was ich bin.«
Sie lächelte und trat neben ihn,
strich ihm sanft das Haar aus der Stirn. Er war nicht gefesselt, soweit er
sehen konnte, und doch mußte sie ihn irgendwie an seinem Platz festhalten, denn
er fühlte sich wieder völlig machtlos.
»Beruhige dich, mein Liebling«,
erwiderte Lisette. »Du bist jetzt ein ganz wundervolles Wesen, mit
Eigenschaften, von denen andere nur träumen können. Du bist ein Vampir.«
»Nein!« stieß er entsetzt hervor.
»Nein! Das ist unmöglich solche Dinge gibt es nicht!«
»Psst«, sagte Lisette und legte den
Zeigefinger an ihren schönen, tödlichen Mund. »Du wirst dich bald an die
Veränderung gewöhnen, Liebling. Sobald du das ganze Ausmaß deiner Macht gespürt
hast, wirst du mir dankbar sein für das, was ich getan habe.«
»Dankbar?« Aidan zitterte, so groß
war sein Bemühen, sich aufzurichten. Und so sinnlos. »Wenn es wahr ist, was du
sagst — und das kann ich nicht glauben — werde ich dich verfluchen, Lisette.
Aber ich werde dir nie, niemals dankbar dafür sein!«
Lisettes schönes Gesicht erstarrte
zu einer Maske des Zorns.
»Undankbar! Du weißt nicht, was du
sagst. Ansonsten würde ich dich nämlich ins Sonnenlicht hinausstoßen, damit du
die Qualen kennenlernst, die nur ein Vampir erleiden kann! Du kannst dich
glücklich schätzen, Aidan Tremayne, daß ich dir sehr geneigt bin!« Sie hielt
inne, um sich zur Ruhe zu zwingen. Dann schenkte sie Aidan ein Lächeln. »Schlaf
jetzt, Liebling. Ruh dich aus. Wenn es wieder dunkel wird, zeige ich dir Orte
und Dinge, die du dir nicht einmal in deinen kühnsten Träumen vorgestellt
hast.«
In den Nächten, die darauf folgten,
erfüllte Lisette ihr Versprechen.
Sie brachte Aidan bei, zu jagen, und
obwohl er es verabscheute, lernte er seine Lektion. Sie lehrte ihn auch, sich
so mühelos, wie ein Sterblicher von einem Raum zum anderen wechselte, zwischen
Zeiten und Kontinenten zu bewegen. Von ihr lernte Aidan, ein sicheres Versteck
zu finden und seine Anwesenheit vor dem Bewußtsein Sterblicher zu verhüllen.
Es war Lisette, bei der Aidan puren,
beständigen und einzigartigen Haß kennenlernte, und all dieser Haß war auf sie
gerichtet.
Er bedauerte seine Opfer und
hungerte oft bis zum Rande des Zusammenbruchs, um kein Blut trinken zu müssen.
In einer nebligen Winternacht, nicht lange, nachdem Lisette ihn aus einem Mann
in ein Ungeheuer verwandelt hatte, saß er allein in einer Landgaststätte und
tat so, als ob er Bier tränke, als sich ihm ein anderer Vampir näherte ...
»Du schwelgst in Erinnerungen an mich?
Wie rührend.«
Aidan erschrak in dem bequemen
Sessel in seinem Haus in Connecticut und stieß einen verhaltenen Fluch aus.
Sein unerwarteter und fraglos arroganter Gast lehnte in lässiger Eleganz am
Kaminsims. Er trug sogar das goldene Medaillon, was bedeutete, daß er zum
Scherzen aufgelegt war.
Wie Aidan verachtete auch Valerian
das stereotype Image des Filmvampirs.
»Es ist das zweite Mal in ebenso
vielen Nächten, daß ich dir unbemerkt erschienen bin«, meinte Valerian
vorwurfsvoll und zupfte an seinen makellos weißen Handschuhen. »Du wirst allmählich
unvorsichtig, mein Freund. Sag mir, hast du so gut
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