Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Menschen zu verwandeln!«
Maeve starrte ihn betroffen an.
»Was?«
Aidan begann vor ihr auf und ab zu
gehen, seine innere Erregung ließ ihm keine Ruhe. »Er ist krank ... ich habe
ihm Blut gegeben ... er schickte mich fort, ohne mir etwas gesagt zu haben ...«
»Aidan, hör auf«, bat Maeve und
legte ihre auffallend weißen, zarten Hände auf seine Schultern. »Was redest du
du? Es gibt keinen Weg, einen Vampir in einen Menschen zu verwandeln — oder
etwa doch?«
»Ja, es gibt ihn«, bestätigte Aidan
lächelnd und vermochte seine Freude fast nicht mehr zu beherrschen. 0 Gott, der
bloße Gedanke daran, zu atmen, einen Herzschlag zu besitzen, bei hellem
Tageslicht zu leben, Neely ungehindert lieben und Kinder mit ihr zeugen zu
können und — wenn der Moment gekommen war — friedlich zu sterben! »Valerian
sagte, es sei gefährlich, aber ...«
»Würdest du wirklich wieder ein
Mensch sein wollen, falls das möglich wäre?« wisperte Maeve bestürzt.
Aidan schwieg, bevor er antwortete,
und schaute seiner Schwester tief in die Augen. Er liebte sie von ganzem
Herzen, und es tat weh, sich einen solchen Abgrund zwischen ihnen vorzustellen,
doch die wunderbare Aussicht, wieder ein Mensch zu sein, machte ihn blind für
alles andere.
»Ja«, flüsterte er. »0 gütiger Gott
im Himmel — ja.«
Maeve hob trotzig das Kinn, aber
ihre Unterlippe zitterte. »Du würdest mich verlassen, Aidan? Du willst so sehr
ein Mensch sein, daß du deiner Schwester den Rücken zukehren würdest, für alle
Ewigkeit? Eine solche Handlungsweise würde uns in Feinde verwandeln, Aidan.«
Sie brach ab und brachte ihre
Gefühle mit sichtlicher Willensanstrengung unter Kontrolle. Es gelang ihr
sogar, ein Lächeln aufzusetzen. »Ich weiß gar nicht, warum ich mir Sorgen
mache«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Vampire sind Vampire, Aidan. Sie
können sich ebensowenig in Menschen verwandeln wie in Engel. Komm — ich möchte
dir die Havermails vorstellen.«
Aidan gestattete Maeve, seinen Arm
zu nehmen, und ließ sich von ihr über die gepflegte Rasenfläche zu dem kleinen
Pavillon führen, in dem die Hausherrin Hof hielt. Mrs. Havermail, wie ihr Mann
und ihre beiden Kinder, war eine Kreatur der Nacht, und sie bleckte ihre Fänge
und gab ein leises Zischen von sich, als ihr neuester Gast sich näherte.
Sechs
Doris' alte Klapperkiste ratterte über den
Highway, der Motor hustete, rauchte und setzte häufig sogar aus, um dann wieder
anzuspringen. Kurz nach Mitternacht war Neely so erschöpft, daß sie auf den
Parkplatz eines schäbigen kleinen Motels einbog und den Motor abstellte. Falls
er morgen früh nicht anspringt, beschloß sie müde, lasse ich diesen
Schrotthaufen hier zurück und fahre mit dem Bus weiter.
Vielleicht wäre das ohnehin besser,
dachte sie, als sie ihre Handtasche und einen kleinen Koffer nahm und auf die
Rezeption zuging. Ein schwaches Neonzeichen über der Tür verkündete, daß noch
Zimmer frei waren.
Am Empfang saß eine mürrisch
wirkende Frau in einem rosa Morgenrock und mottenzerfressenen Plüschpantoffeln.
Sie schien alles andere als begeistert, geweckt worden zu sein.
Neely trug sich unter einem falschen
Namen ein und zahlte bar. Sie erhielt einen Schlüssel mit einem roten
Plastikanhänger, auf dem die Nummer Sechs stand.
Das Zimmer war klein, muffig und
roch nach kalter Zigarettenasche, aber Neely war viel zu müde, um sich an
derartigen Kleinigkeiten zu stören. Solange die Laken und das Bad sauber waren,
war sie bereit, den Rest zu übersehen.
Nachdem sie sorgfältig die Kette an
der Tür befestigt hatte, zog sie sich aus, putzte die Zähne, wusch das Gesicht
und kroch zwischen die Laken. Sie war zutiefst erschöpft, sowohl körperlich
als auch geistig, und freute sich auf den Schlaf, der sie wenigstens für eine
Zeitlang vor der Realität verschonen würde.
Als sie dann jedoch in der
Dunkelheit lag, begann sie sich nach Aidan zu sehnen. Das Verlangen war nicht
nur sexueller Natur, obwohl sie sich eingestehen mußte, daß sie ihn mit allen
Fasern ihres Seins begehrte. Nein, es war viel mehr als das ... es war etwas
sehr Komplexes, Lebendiges, das in ihrer Seele wurzelte und seine Triebe nach
ihrem Verstand und ihrem Herzen ausstreckte. Und oft sogar nach ihrem
Unterbewußtsein.
Trotz ihrer Einsamkeit war Neely das
Leben nie schöner oder kostbarer erschienen. Es gab soviel, was sie noch sehen,
fühlen oder tun wollte — sich Aidan hinzugeben war eins der wichtigsten dieser
Dinge —, und nun sah es
Weitere Kostenlose Bücher